11.

Uranus

e9783641063412_i0107.jpg

Das Prinzip von Freiheit, Unabhängigkeit und Originalität

 

Gewöhne dich an nichts,
und alles wird ungewöhnlich bleiben.

Karl Heinrich Waggerl

Die senkrechte Themenkette

Auf das Saturnprinzip, bei dem Maßstäbe und Normen für die Allgemeinheit aufgestellt werden, folgt das uranische Lebensprinzip, bei dem diese Festsetzungen in ihrer Starrheit mit Vorliebe wieder gesprengt werden. Genauso gern geht Uranus in Opposition, wann und wo immer das möglich ist und erst recht, wenn es unmöglich erscheint. Denn das scheinbar Unmögliche ist bei diesem Lebensprinzip die größte Herausforderung, hier liegt die ganze Faszination.

Uranus vertritt das fixe Luftelement und das elfte Haus (Wassermann) im Entwicklungskreis. Es drückt sich in einer ständigen Suche nach Neuem, Bahnbrechendem, Ungewöhnlichem und Originellem aus. Unter dem Uranusprinzip zerschlägt man am liebsten alle Begrenzungen, macht auch gern genau das Gegenteil vom Erwarteten. So kann ein eigentlich liberaler und weltoffener, also typisch uranischer Mensch sehr konservativ werden, wenn von ihm Liberalität erwartet wird. Da er vorzugsweise in Opposition geht, kann er also einer progressiven Regierung traditionelle Werte entgegenhalten und den Status quo verteidigen, obwohl er sonst eher progressiv eingestellt ist. Damit wird Uranus zum idealen Prinzip, um Erwartungen zu enttäuschen.

Widersprüche und Gegensätze ziehen sich beim Uranusprinzip förmlich an und fordern heraus. Mit Idealismus wird von neuen Lösungen, von Reformen geträumt, denn mit dem Bestehenden kann dieses Lebensprinzip kaum einverstanden sein, wie schon sein Namensgeber, der Gott Uranus bewies. Dieser stieß die ihm von Gaia, seiner Frau und Mutter, geborenen Kinder ständig zurück in ihren Leib, weil er sie unvollkommen fand und von Gaia in keiner Hinsicht zufrieden zu stellen war.

Typisch beim Uranusprinzip ist die Unzufriedenheit mit Bestehendem und Vorgegebenem. »Ja, aber…«, ist eine Standardentgegnung, um sich in Opposition zu setzen und möglichst jeder Verbindlichkeit zu entziehen; sie wirkt aber auch aufrüttelnd, wach machend. Hier wird mittels Rebellion und Aufstand gern das Bestehende in Frage gestellt. Beim Uranusprinzip finden wir also den klassischen Oppositionellen und einen Menschen, der sich fast immer auf Gegenkurs und auf dem Weg zu anderen, neuen Ufern befindet. Die permanente Revolution ist hier das Thema, zumal Idealismus zu unerfüllten und unerfüllbaren Idealen neigt, wie denen der Französischen Revolution mit »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« oder dem Modell des idealen Sozialismus. Das Erreichte ist immer zu wenig (ideal) und schürt Uranus’ Oppositionsgeist.

Vor der Entdeckung des Planeten Uranus herrschte das Saturnprinzip auch im Zeichen Wassermann. Obwohl Uranus also mit dem Saturnprinzip in naher Beziehung steht, kann ihn die erreichte Normierung der Gesellschaft, für die Saturn steht, überhaupt nicht befriedigen, und er setzt auf den Gegenpol: Individualität, persönliche Freiheit und Selbstentfaltung.

Kaum hatte der Mensch unter dem Saturnprinzip gelernt, sich als Individuum dem Kollektiv und dem Gesetz unterzuordnen, kommt mit Uranus der gegenteilige Programmentwurf. Wobei eine programmatische Festlegung dem uranischen Lebensgefühl gar nicht entspricht. Ihm geht es darum, von allen Einschränkungen und von allem Bisherigen frei zu werden, offen zu sein für das Unverhoffte, Plötzliche, völlig Neue, Nie-Dagewesene. Uranus ist immer gut für Überraschungen. Der Charme des Augenblicks zählt. Man kann sich nicht gut auf Uranus verlassen; das einzige Sichere ist die Unsicherheit, und nicht einmal die ist sicher.

Alles in dieser Welt ist in Bewegung. Während beim Saturnprinzip das Festgeschriebene, die Norm, Sicherheit vermittelt, gibt bei Uranus nur die Freiheit, in jedem Moment neu entscheiden zu können, Sicherheit. Stets weit voraus auf die Zukunft, auf neue Möglichkeiten und Chancen bezogen, ist das Uranusprinzip der natürliche Feind der Tradition, des Althergebrachten und Überlieferten. Die bestehende Logik ist hier ein Gräuel, das Gewohnte eine Provokation, wogegen der Aufstand nicht nur geprobt wird. Unter dem Uranusprinzip schwimmt man mit Vorliebe gegen den Strom – vor allem der schweigenden Mehrheit – und ist überzeugt, bessere Lösungen zu haben, was aufgrund uranischer Geistesblitze und spontaner Einfälle tatsächlich häufig der Fall ist.

Unter diesem Lebensprinzip ist fast alles recht, was erlaubt, sich aus der Masse herauszuheben und die Welt aus der Vogelperspektive zu betrachten. Daraus folgt eine oft kühl wirkende und vielfach als Arroganz wahrgenommene Distanz. Wer sich über die Welt und das Gemeine erhebt, kann dabei eben leicht überheblich wirken. Zumal es Uranus niemand recht machen kann; seine Ideale legen die Messlatte ins Himmlische, für Menschen unerreichbar. Das uranische Verständnis für das Menschliche und gar das allzu Menschliche ist äußerst gering und auch gar nicht sein Anliegen, da es bei diesem Lebensprinzip nur um das große Ganze geht. Das Menschliche steht uranischen Geistesblitzen und Idealen in der Regel auch entgegen oder nimmt ihnen zumindest den himmlischen Glanz.

So will man beim Uranusprinzip mit Instinkten und Gefühlen möglichst wenig zu tun haben, denn obendrein engen sie auch noch ein. Thema von Uranus ist der Fortschritt, der ständig fortschreitet, fast egal wohin, immer vorwärts und eben fort. Uranus kann sich leicht von den Menschen entfernen und ihnen fast feindlich erscheinen mit seinen kühlen, oft geradezu unmenschlichen Ansprüchen bezüglich idealer Lösungen. Andererseits üben bei diesem Prinzip wahre Freundschaft und Seelenverwandtschaft große Faszination aus.

Hier wird man – auch mit sich selbst kaum zufrieden – nur schwer zur Ruhe kommen. Uranus sorgt für chronische Unruhe und ist damit schon wieder bei Chronos gelandet, der Uranus ständig einholt und an dem er sich vielfach reibt. Das uranische Zeichen Wassermann ist mit Abstand der widersprüchlichste Archetyp, weil Wassermann von zwei so konträren Lebensprinzipien wie der eigentlich sehr beweglichen Luft und dem Fixen bestimmt wird, anders gesagt von Uranus und dem alten Herrscher Saturn.

Mit seinem Gespür für Kommendes und dem oft weltfremden Idealismus kann Uranus helfen, Träume zu verwirklichen und Sterne vom Himmel, seiner mythologischen Heimat, zu holen. Weit entfernt vom Normalmenschlichen leistet sich dieses Prinzip große Distanz zu allem Feststehenden, so auch zum Körper, zu Gefühlen, Affekten, Emotionen und Empfindungen. Im Gegensatz zu vielen anderen Prinzipien ist hier Sicherheit ein Gräuel, Veränderung das Lebenselixier, aber auch eine fixe Idee, und das bringt uns schon wieder in Saturns Revier. Zwar ist Uranus nie so fanatisch fixiert wie Pluto, aber als Vertreter der fixen Luft kann er doch dazu motivieren, sich festzubeißen an Idealen wie Objektivität, absoluter Gerechtigkeit, völliger Freiheit und Selbstbestimmung, absoluter Chancengleichheit und Gleichberechtigung.

Uranus ist der (Geistes-)Blitz aus heiterem Himmel, der mit Vorliebe in alte Gemäuer und Denkgebäude fährt, der den Turm in Gestalt der sechzehnten Tarotkarte zum Einsturz bringt und damit das System und den Glauben, symbolisiert in König und Mönch, die beide herabstürzen. Lieber exzentrisch und kauzig, schrullig und verrückt als gewöhnlich und berechenbar, ist die Devise.

Während Weisheitslehrer wie Byron Katie dem Neptunprinzip entsprechend predigen, zu lieben, was ist, geht das Uranusprinzip auch hier auf den Gegenpol: Alles, was ist, sollte anders und besser werden. Und diese Art von Opposition kann geradezu zwanghafte Züge annehmen und so wieder Saturn durchblicken lassen.

Paradoxien, die bei allen anderen Prinzipien provozierend wirken, sind Uranus Freude und Herausforderung. Hier werden Wohngemeinschaften und moderne Patchwork-Familien geliebt, in denen alle miteinander können und ihre Ideale zusammenbringen und leben lassen. Spannungen sind durchaus angenehm, und ein uranischer Mensch kann zwischen den Polen vermitteln und ausgleichen, wie es nicht einmal dem Waage-Venusprinzip gelingt. Je bizarrer und unvereinbarer die Pole sind, desto mehr fordern sie ihn heraus als Mediator des scheinbar Unmöglichen. Das unterscheidet auch uranische Visionen von denen des Jupiterprinzips, reichen sie doch in nie gekannte, nie dagewesene (Be-)Reiche, während man sich bei Jupiter mit der Verbesserung des Bestehenden bescheidet.

Das Wassermannzeichen trägt diesen Widerspruch schon im Namen, ist es doch von allen Prinzipien am luftigsten und weit von den Gefühlswelten des Wasserreiches entfernt. Der Wasserträger und Namensgeber steht für ein himmlisches Wesen, das höheres Wissen ausgießt. Es kann allen Menschen helfen und sie dazu inspirieren, mitzuträumen und in jene himmlischen, der Alltagswirklichkeit weit entrückten Welten zu fliegen, die die Sphäre der Ideen repräsentieren.

e9783641063412_i0109.jpg

Einfälle und Zufälle, aber auch Unfälle und Zwischenfälle sind das typisch uranische Revier, der Wechsel sein Wesen, und so wird Uranus zum idealen Krisenmanager der jetzigen Wassermannzeit, die so wenig Ruhe kennt, dafür aber voller Veränderungen und Inspirationen ist. Mit Geniestreichen wird die Vereinigung der Gegensätze angestrebt; Unvereinbares soll zusammengebracht werden. Hier fasziniert das Ausgefallene und Verrückte, extrem Ungewöhnliche wie etwa Androgynität und Travestie.

Das Metall des Uranusprinzips ist Zink. Es wurde spät und ungefähr zeitgleich mit dem Planeten Uranus entdeckt und ist ein verrücktes Metall, das nicht rostet und also ewig hält, weshalb man viele Dinge verzinkt. Verzinkte Typen unter den Menschen sind ungewöhnlich und oft anspruchsvoll, schwer zufrieden zu stellen. In der Homöopathie wird Zinkum metallicum unruhigen Geistern gegeben, die wie der Zappelphilipp herumturnen, unter Unrast und Bewegungszwang leiden, chaotisch sind und keinen Rhythmus im Leben finden. Heute ist es eines der Mittel für hyperaktive Kinder, die natürlich unter das Uranusprinzip fallen.

Ein weiteres Metall ist das kostspielige Platin, ein außergewöhnliches Schmuckmetall. Es hat den höchsten Schmelzpunkt und ist sehr schwer zu gewinnen. In der Homöopathie hält sich der Platinumtyp oft für etwas Besonderes. Hauptanliegen ist ihm, seine triebhafte Seite mit den hohen spirituellen Idealen zu vereinen.

Die Uranus zugeordnete Farbe ist eisblau. Aber alle kühlen metallischen Farben gehören zu diesem Lebensprinzip sowie alle irisierenden und changierenden Farbtöne, die unbestimmbar und außergewöhnlich sind. Die Farbe des Blitzlichts von brennendem Magnesium ist (arche-)typisch.

Die Signatur ist exzentrisch wie das Zeichen, bei dem der Kreis des Geistes durch einen Pfeil aus der Mitte und dem Gleichgewicht gebracht wird. Der Pfeil weist ohne genaues Ziel nach oben in die unbestimmte Richtung des Fortschritts. Zu Uranus gehören ebenso der Zickzackkurs, die plötzliche Unterbrechung der Kontinuität, das Surreale und Verfremdete wie auch das Wellenmuster des Wassermannprinzips mit seinem Auf und Ab.

e9783641063412_i0110.jpg
e9783641063412_i0111.jpg

Im Beruf geht es mit Uranus kreativ und originell zu; hier finden sich ausgefallene Tätigkeitsbereiche. Uranier wollen beruflich gern unabhängig und selbstständig bleiben, was Autoritätskonflikte mit Vorgesetzten heraufbeschwören kann. Einerseits sind sie gute Teamarbeiter, andererseits streben sie eine Sonderstellung für sich an, etwa nach dem Motto: »Alle sind gleich, nur ich bin anders. «

Alles, was sich über den Wolken abspielt, lockt als Arbeitsplatz. So finden wir hier Flugbegleiter und Piloten bis hin zu Astronauten. Heute hier, morgen dort, ist unter Uranuseinfluss kein Problem, im Gegenteil. Beim Flugzeugmechaniker bis zum Raketentechniker ist zumindest der konstruktive Bezug zum Aufstieg in luftige Bereiche vorhanden.

Elektrotechniker und Elektroniker, Informatiker wie auch all die modernen Internetspezialisten sind bei diesem Lebensprinzip zu Hause, soweit Uranier das überhaupt sein können. Letztlich alle Techniker, Konstrukteure und Ingenieure, denen Geniales anhaftet, arbeiten unter dem Dach von Uranus. Außerdem sind hier Kabarettisten und Karikaturisten, Regisseure, Astrologen, Neurologen und Psychiater anzutreffen. Bei Sprengstoffspezialisten und den Genies der Special-Effects der Filmbranche liegt ebenfalls viel Uranisches in der Luft.

Das Beziehungsverhalten unter Uranus ist exzentrisch, und oft fällt eine Tendenz zu unpassenden Partnern auf, etwa wenn die Pariser Intellektuelle den einfachen Fischer wählt, wie in dem Buch Salz auf unserer Haut von Benoite Groult beschrieben, oder wenn die Filmdiva dem Straßenkehrer schöne Augen macht. Häufig gibt es auch Nähe-Distanz-Probleme, die sich mit Angst um die eigene Freiheit mischen und vor Bindung zurückweichen lassen. Mit Seelenverwandten Luftschlösser zu bauen und die Sterne vom Himmel zu holen, ist hier verlockend, weniger, Nägel mit Köpfen zu machen im Sinne der Institution Ehe, die zu Saturn gehört. Seitensprünge als soziale Unfälle können bei diesem Lebensprinzip als normal gelten, liegt doch das Aus-der-Reihe-Tanzen und Über-die-Stränge-Schlagen dem Uranusprinzip im unruhigen Blut. Insofern gilt er als unzuverlässig und kühl, aber dafür sehr kreativ in Beziehungsdingen.

Bei der Kleidung wird die extravagante Stillosigkeit zum Stil. Aus der Rolle zu fallen und sich nicht um Konventionen zu scheren passt zum uranischen Lebensprinzip wie die Faust aufs Auge. Bei dieser Exzentrik ist sozusagen dem zerstreuten Professor alles erlaubt, von der Hochwasserhose bis zur Fliege, die nicht zum gemusterten Hemd passt, ihm aber doch eine eigene, wenn auch verrückte Note verleiht. Er macht sich gern zum Clown oder Überflieger im Pilotenoverall aus Fallschirmseide, der gerade erst gelandet und noch nicht ganz bei der Sache zu sein scheint, aber schon neue Pläne hat. Das Motto heißt »Anderssein«.

Charakteristische Adjektive sind originell und extravagant, ungewöhnlich und innovativ, geistreich und intuitiv, vorausblickend und zukunftsorientiert, fortschrittlich und avantgardistisch, ausgefallen und verrückt, dabei unabhängig und freiheitsorientiert, liberal, aber widersprüchlich. Wenn er distanziert, objektiv und rational die Vogelperspektive einnimmt und auf Gegenkurs geht, weiß ein Uranier es oft besser, was ihn arrogant und abgehoben erscheinen lässt. Er kann jedoch viel bewegen, denn als idealistische, wachrüttelnde und erweckende, vermittelnde und mit der Gabe des Ausgleichs der Gegensätze beschenkte Persönlichkeit ist er ausgesprochen beweglich und bringt Bewegung in alle möglichen Situationen und scheinbar Unvereinbares zusammen und in Übereinstimmung.

Andererseits ist ein von diesem Prinzip stark geprägter Mensch oft auch ambivalent und irrational, vielseitig und damit mehrdeutig und unklar, elitär und selbstherrlich, hektisch und unberechenbar, ungeduldig und unpünktlich, nervös, überdreht und auf seine Ideale extrem fixiert.

Das Uranusprinzip hat eine eigene Zeit im Jahr, die fünfte Jahreszeit des Faschings und Karnevals, früher die Saturnalien, bei denen Saturn entfesselt wurde und alle Verrücktheiten erlaubt waren. In der fünften Jahreszeit sind die Menschen in den Karnevalshochburgen außer Rand und Band und lassen all ihren Narrheiten freien Lauf, wodurch das uranische Element auf seine Kosten kommt.

Als der Planet Uranus entdeckt wurde, gab es auf der Welt drei entscheidende Revolutionen: erstens die Französische mit den Idealen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und zweitens die amerikanische Unabhängigkeitserklärung mit sehr viel uranischem Inhalt wie dem berühmten in der Verfassung verbrieften Recht, auf persönliche Weise glücklich zu werden (»Life, liberty and the pursuit of happiness«). Drittens wurde mit der Dampfmaschine die Industrielle Revolution in Gang gesetzt.

Oft beschworen solche uranischen Umwälzungen jedoch das Gegenteil herauf. Die Französische Revolution entgleiste rasch in brutalen Terror und ausgesprochen kalte Unbrüderlichkeit bezüglich der eigenen Bevölkerung. Der amerikanische Traum von Freiheit wurde später zum Albtraum nach Unabhängigkeit strebender Länder, weil die US-Politik mit Vorliebe Diktatoren stützte und sie gegen die Interessen der Völker an der Macht hielt. Die Industrielle Revolution erleichterte den Menschen nicht das Leben, sondern stürzte erst einmal Heerscharen von Arbeitern ins Elend. Ähnlich entwickelte sich das Schicksal vieler anderer Revolutionen und Neuerungen. Die kommunistischen Revolutionen, die mit höchsten Idealen verbunden waren, führten beispielsweise rasch in tiefes Elend und größte Unfreiheit.

Justus von Liebig, der Humanist und Chemiker, wollte mit der Entdeckung des Kunstdüngers den Hunger auf der Welt beheben und leistete als zweite Langzeitfolge jener Entwicklung Vorschub, die Millionen moderne Menschen bei überhöhter Kalorienzahl Mangel leiden lässt. Große Geister der Physik wie Curie, Einstein, Rutherford, Bohr und Heisenberg wollten die Welt voranbringen und wiesen damit auch den Weg nach Hiroshima und Nagasaki, Tschernobyl und Fukushima. Der Bakteriologe Alexander Fleming wollte mit den Antibiotika Freiheit von Krankheit bringen und leistete gleichzeitig dem Gegenteil Vorschub, wie wir es heute im Hospitalismus mit seinen unbeherrschbaren Klinikkeimen erleben. Diese Beispiele zeigen, wie neben dem uranisch idealistisch erstrebten Ziel sich stets – für dieses Prinzip typisch – das Gegenteil mit einstellt.

Das Denken im Reich von Uranus ist geistreich, originell und witzig, assoziativ und pointiert, exzentrisch und fantasievoll sowie erfinderisch. Es reicht von überspannt und krampfhaft bis zu reformerisch und rebellisch und kann sehr abgehoben und arrogant sein: »Ich stehe dafür, dass ich dagegen bin.«

Uranisches Fühlen ist neutral und über den Dingen stehend, deswegen auch auf andere herabschauend und oft herablassend. Es ist nicht selten unkonventionell und geschlechtsneutral, sehr frei(zügig) und immer zumindest leicht unterkühlt. Es kann auch extrem sprunghaft und damit sehr verletzend sein; aus jeder Emotion, die sehr verbindlich und bindend erscheint, muss sofort herausgesprungen werden. Im unerlösten Bereich kann das Fühlen bipolar sein wie bei der entsprechenden Störung und bis zu Autismus gehen. Der Seelenvogel, der über der Welt und den Dingen schwebt, ist ein gutes Bild für uranisches Fühlen.

Das Handeln ist eigenwillig, unkonventionell und spontan(eistisch). Von plötzlichen, unverhofften Entschlüssen und Geistesblitzen geprägt, ist es waghalsig und mutig, antiautoritär und oft aufrührerisch.

Die sieben Entwicklungsstufen

1. Die unterste Entwicklungsstufe konfrontiert uns mit lebensfeindlichen Theorien und Ideen. Auch ein relativ gefühlloser Kampf für Ideologien mit der Abwertung von Gefühl und Nähe kann hier vorkommen, und Anarchie ist eine Gefahr. Zerrissenheit kann bis zum Wahnsinn treiben. Ohne Zentrierung drohen Hektik und Hetze bis hin zu Panik.

 

2. Rebellion aus Prinzip und ständige Opposition kommen auf der nächsten Stufe ins Spiel des Lebens. Neuerungen sollen um jeden Preis durchgesetzt werden, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Hier treffen wir auf Sonderlinge mit ihrer typischen Abgehobenheit, mit Distanz zu Gefühlen bei (üb)erheblicher Selbstüberschätzung und Arroganz. Getriebenheit und Unzuverlässigkeit bilden eine unangenehme Kombination.

 

3. Die dritte Stufe ist durch Exzentrik, Sprunghaftigkeit sowie mangelnden Realitätssinn gekennzeichnet. Fehlende Bodenhaftung kann im Verein mit Wirrheit zum Problem werden. Auch der Anspruch, etwas Besonderes zu sein und deshalb Sonderrechte verlangen zu können, bietet Konfliktstoff. Heimat- und Beziehungslosigkeit in vieler Hinsicht kann frei, aber auch einsam machen.

 

4. Die nächste Stufe zeichnet sich durch zunehmenden Individualismus und die Befreiung von Abhängigkeiten aus. Nonkonformismus und unbedingter Veränderungsdrang entwickeln eine Art inneren Sprengstoff. Diese Spannung drängt aber in zunehmend produktiver Weise auf Entladung. Hier kommen auch Witz und Humor zur Geltung, etwa nach dem Motto: »Humor ist, wenn man trotzdem lacht.«

 

5. Nun geht es um die Aufhebung der Gegensätze und eine »Sowohl-als-auch«-Lebenshaltung, um Experimentierfreude und Erfindungsgeist, Objektivität und Wahrheitssuche. Einfallsreichtum und Kreativität verbinden sich mit wachsendem Gerechtigkeitsgefühl und Sozialempfinden.

 

6. Die sechste Ebene bringt den Idealisten hervor, der für höchste Werte steht, hehre Zukunftsperspektiven entwickelt und mit seiner Erfindungsgabe und seinem visionären Intellekt erstaunliche, unkonventionelle Lösungen hervorbringt. Gepaart ist dies mit viel Voraussicht, wodurch mögliche Konsequenzen nicht aus den Augen verloren werden. Wahre, unverbrüchliche Freundschaft und soziale Verantwortung sind hier anzutreffen genau wie größtmögliche Freizügigkeit.

 

7. Auf der letzten Stufe münden Genialität und Einfallsreichtum in Wahrhaftigkeit und in die Freiheit, alles sein, denken, fühlen und tun zu können, ohne etwas zu müssen.

Tierreich

Bei diesem luftigen Lebensprinzip sind natürlich alle Vögel zu finden und besonders die verrückten und bunten wie Papageien oder auch die schneeweißen Kakadus, die sprechen können oder den Clown geben. Der Fregattvogel gehört als Meister akrobatischer Flugkunst hierher und natürlich der eisblaue Eisvogel mit seinem irisierenden Gefieder, der sich aus freiem Flug abrupt in den freien Fall und ins Wasser stürzt. Typisch uranisch sind weiterhin die Kolibris, die sich in Nestbau und Lebensweise von allen anderen Vögeln eigenartig unterscheiden. Sie können wie Hubschrauber auf der Stelle fliegen, wie Schmetterlinge Nektar saugen, und da sie oft winzig wie Insekten sind, leben sie eigentlich auch wie spezialisierte Insekten. Sie haben schwache Füßchen, die nur zum Sitzen und nicht zum Gehen taugen, weshalb sie auch kleinste Strecken fliegen. Durch ihre schnell schwirrenden Flügel können sie als einzige Vögel vor- und rückwärts fliegen. Wegen ihrer bunt schillernden, blitzenden Farben werden sie auch »fliegende Edelsteine« genannt. Die Weibchen sind alleinerziehend – entsprechend modernen, emanzipierten bunten Vögeln im Menschenreich.

In dieser Hinsicht sind auch Pinguine, die auf das Prinzip alleinerziehender Väter setzen, uranische Wesen. Sie können allerdings gar nicht fliegen und sehen in ihrem »Frack« ständig irgendwie overdressed und komisch aus, wenn sie sich watschelnd in ihrer eiskalten weißblauen Heimat vorwärtsbewegen, auf langen Wanderungen, die sie durch kurze Rutschpartien auf dem Bauch unterbrechen, wann immer möglich.

Wegen seiner ausgefallenen und auffälligen Zeichnung gehört auch das Zebra zum Uranusprinzip. Es lässt sich nicht reiten, weil sein Herz und Rücken zu schwach dazu sind, und lebt in kleinen Herden, gleichsam unter Freunden, in zwei spezialisierten Familien, den Steppen- und Bergzebras.

Das Känguru macht mit gewaltigen Sprüngen und als Beuteltier von sich reden. Dank seiner mächtigen Hinterbeine scheint es fast fliegen zu können, so enorm weit sind die Sprünge, und trotzdem trägt es dabei sein Junges sicher im Beutel am Bauch und kann es überall mit hinnehmen. Gestützt auf seinen starken Schwanz, den es als fünfte Extremität nutzt, kann es bequem, sozusagen im Stehen, sitzen und hat dabei seine im Verhältnis deutlich zu klein geratenen Arme frei. Es lebt ständig auf dem Sprung und wirkt im Sitzen fast menschlich. In den weiten Steppen und im Buschland Australiens lebt es in kleinen Gruppen, also gleichsam unter Freunden.

Die Giraffe fällt schon durch ihre eigenwillige Zeichnung auf. Mit ihren langen Beinen, dem überdimensionierten Hals und dem kleinen Kopf wirkt sie irgendwie komisch, vor allem wenn sie als uranisches Wesen sich der Erde zuwendet, etwa um zu trinken. Mit weit gespreizten Vorderläufen kann sie sich nur mühsam so weit herablassen und ist in diesem Moment sogar in Gefahr, vom Gegenpol in Gestalt der Löwen attackiert zu werden. Meist lebt sie mit dem Kopf in den Wolken auf einsamer Höhe, aber in kleinen Gruppen, wie es Uranier lieben.

Ansonsten gehören die komischsten und sonderbarsten unter den Tieren hierher wie etwa die Orang-Utans, was übersetzt Waldmenschen heißt. Die hochintelligenten Tiere, die Menschen perfekt nachahmen können – sowohl in freier Wildbahn als auch im Zirkus – und in ihren orangefarbenen Pelzmänteln wirklich ungewöhnliche Waldbewohner sind. Außerdem zählen Koalas und Nasenaffen zu den tierischen Vertretern des Uranusprinzips.

Pflanzenreich

Alle ungewöhnlichen Pflanzen mit bizarren, auffallenden Formen, die rasch in luftige Höhen streben und Luftwurzeln bilden, gehören in Uranus’ Reich. Die Mistel ist solch eine typische Luftpflanze, die den Boden nie berührt und sozusagen im Himmel wächst. Würden ihre Samen auf den Boden fallen, müssten sie verfaulen. Stattdessen werden sie von den Vögeln des Himmels über deren Kot von Baum zu Baum getragen. Die paarweisen Blätter der Mistel sind wie Flügel aufgespannt und schauen Engelwesen ähnlich. »Die Mistel versteht die irdischen Jahreszeiten nicht«, sagte der Pflanzengelehrte Wilhelm Pelikan, denn sie tragen im Winter Frucht. Außerdem nisten sie wie Vögel in Bäumen und zeigen ein weitgehend anarchisches Verhalten.

Unseren keltischen Vorfahren und Druiden war die Mistel heilig, besonders wenn sie auf Eichen wuchs. Sie wurde mit goldenen Sicheln geschnitten; Jungfrauen mussten sie in weißen Tüchern auffangen, damit sie nicht den Boden berührten und damit ihre magische Kraft verlieren würden. In manchen Gegenden wurde sie – gleichsam homöopathisch – als Blitzschutz verwendet. Andernorts glaubte man im Gegenteil, Holz von Bäumen, auf denen Misteln wachsen, zöge die Blitze an.

Als Krebsmittel ist die Mistel als uranisch verrücktes Wesen das Mittel gegen die Normopathie, die völlige Angepasstheit der Krebspersönlichkeit. Neben all dem Auffälligen und aus jeder Norm Fallenden hat die Mistel natürlich auch einen milden Schmarotzeraspekt, der mehr zu Pluto passt.

Orchideen lassen sich als Luftwurzler, die ohne Bodenkontakt scheinbar im Himmel wurzeln und sich immateriell ernähren, beim Uranusprinzip einreihen. Und da sie dem besiedelten Baum im Gegensatz zur Mistel gar nichts wegnehmen, sind sie noch passender.

Die Lärche ist als Nadelbaum, der im Winter die Nadeln abwirft, ebenfalls uranisch. Als Bachblüte Larch muss die Lärche vor allem einfach anders sein als alle anderen Bäume, genau wie das Uranusprinzip.

Landschaften und Orte

Unter dem Uranusprinzip finden wir die bizarrsten Stein- und Gebirgslandschaften, zum Beispiel mit verrückten, originellen Formen, die der Wind aus Sandsteinfelsen herausmoduliert hat. Solch einzigartige, spektakuläre Monumente scheinen gar nicht von dieser Welt zu sein. Typisches Beispiel sind auch die Drei Zinnen in den Dolomiten sowie bläulich schimmernde Eishöhlen und Winterlandschaften, deren Schneefelder im Sonnenlicht blitzen. Natürlich sind auch uranhaltige Formationen hier einzuordnen. Ebenfalls zum Uranusprinzip gehören sowohl Hochebenen als auch lebendige, immer für Überraschungen gute Vulkanlandschaften, etwa die Islands, wo Geysire in den Himmel schießen und Dampfwolken aufsteigen lassen.

Vor allem aber sind hier artifizielle, von menschlichem Forscher-und Fortschrittsgeist geschaffene Orte zu nennen, zum Beispiel Weltraumstationen. Uranisch wären auch zukünftige Niederlassungen auf anderen Planeten. Typisch sind weiterhin Großflughäfen und ihre Umgebung mit Start- und Landebahnen, alles überragendem Tower und riesigen Hangars der modernsten Art. Uranischen Charakter haben am Reißbrett entworfene Städte, wie sie in Dubai und Abu Dhabi aus dem Boden gestampft und ins Meer gestellt werden, deren höchste Türme mit über hundert Stockwerken in den Himmel und die Zukunft ragen. Dort werden auch auf künstliche Inseln Traumplätze gezaubert und für Wahnsinnspreise an die Reichen der Welt verhökert, die aber nicht einziehen, weil das Projekt schon vorher in Konkurs geht.

Futuristische Bauten mit der Technologie des nächsten Jahrtausends, Hightech-Wohnanlagen, die auf Elektronik und Zukunftstechnologie setzen und von Computern gesteuert und mit Videokameras überwacht werden, gehören eindeutig zum Uranusprinzip. Industrielandschaften aus modernsten Stahlkonstruktionen und mit dem Flair von Zukunftsszenarien sind genauso typisch wie Wolkenkratzerstädte, überhaupt jede Skyline, die etwas hermacht und den Himmel berührt. Hinzu kommen avantgardistische Gebäude wie die Oper in Sydney. Mit ihren ungewöhnlichen Formen setzen sie jeweils neue Maßstäbe, die uranische Architekten sogleich wieder toppen können.

Von den uranischen Metropolen ist Sydney an erster Stelle zu nennen, die größte Stadt Australiens, die sich Neuankömmlinge bevorzugt dadurch erobern, dass sie in luftiger Höhe über die Harbour Bridge klettern. Las Vegas, die Spielerstadt mitten im puritanischen Amerika, die alles erlaubt, was sonst strikt verboten ist, und mit ihren Fantasiebauten künstlich in die Wüste gestellt wurde, ist sicher einer der artifiziellsten Plätze der Welt und zeigt viele spezifisch uranische Seiten. Rio de Janeiro ist genauso typisch, und zwar als Welthauptstadt des Karnevals, mit Wolkenkratzern und Slums, die natürlich zu Neptun gehören, aber im enormen Gegensatz zum großen Reichtum doch uranisch wirken. Hier werden die okkultesten Kulte zelebriert, und Millionen treffen sich zu Silvester am Strand, um bei Samba-Rhythmen die Nacht hindurch zu feiern.

Unter den Ländern hat Brasilien, der große Schmelztiegel im Norden Südamerikas, uranischen Charakter aufgrund echter Gleichberechtigung zwischen den Rassen und all der Musik, die den Menschen hier im Blut liegt.

Das kalifornische Silicon Valley ist als Computer-Eldorado ebenfalls zum Uranusprinzip zu zählen. Von hier aus wird die Welt unter uranischen Einfluss gebracht und elektronisch vernetzt; hier entstehen neue Programme und die Software der Zukunft.

Uranische Mythen

Die Geschöpfe des Uranus

Uranus, der Himmelsgott, ist ein Kind der Mutter Erde, die ihn ohne fremde Hilfe im Schlaf nur aus sich und jenem herrschenden Ur-Chaos heraus gebiert, das die Bibel Tohuwabohu nennt. Uranus, das erste männliche Wesen, ist also grundsätzlich vaterlos und allein aus dem Weiblichen entstanden. Nach seiner Geburt schaut er von der Spitze des höchsten Berges liebevoll auf seine Mutter Erde herab und lässt aus seinen himmlischen Augen Tränen fallen, die die Höhlen und Vertiefungen seiner Mutter füllen. So entstehen Gaias Bäche und Flüsse, Seen und sogar Meere, und all das Wasser lässt ihre Pflanzen und Tiere wachsen. Uranus wird auf diese Weise zum fruchtbaren Schöpfer.

Als diese Tränen fürs Erste versiegt sind, bildet sich ein Gleichgewicht zwischen den Wassern des Himmels und der Trockenheit von Gaia, und die Erde nimmt ihre heutige Gestalt an. Uranus bleibt aber weiter schöpferisch tätig und zeugt mit seiner Mutter drei Riesen: Briareus, den Starken, Gyges und Kottes, die fünfzig Köpfe und hundert Arme haben. Anschließend zeugt er die drei einäugigen Zyklopen: Brontes, den Donner, Steropes, den Blitz, und Arges, den Glanz. Selbst vaterlos, wird Uranus zum leidenschaftlichen Vater und zeugt weiterhin noch die Titanen und manch anderes exotisch gestaltete Ungeheuer. Über dieses Ergebnis selbst enttäuscht, weist er diese (Miss-)Gestalten zurück und schiebt sie in die Höhlen und Spalten seiner Mutter Erde zurück, was Gaia beleidigt und erzürnt.

Damit das Zeugen solch verrückter Wesen aufhört und um ihre verbannten Kinder zu befreien, überredet sie ihren Titanen-Sohn Chronos, mit der von ihr gestellten Steinsichel aus Feuerstein den Vater Uranus zu entmannen. Im Moment des Sterbens befruchtet dieser mit seinen Blutstropfen Gaia jedoch noch ein letztes Mal und zeugt die Giganten und die Erinnyen, auch Furien genannt. Diese Rachegöttinnen verfolgen nun jedes Unrecht einer Mutter und des Mutterseins, später auch das der Familie. Aus seinem abgeschlagenen, ins Meer stürzenden Glied entsteht Aphrodite-Venus, die Göttin der Liebe und der Sinne, die uns schon zweimal – in ihrer irdischen Version beim Stier-Venusprinzip und ihrer luftigen beim Waage-Venusprinzip – begegnet ist. Seinem mörderischen Sohn prophezeit er sterbend noch, auch er werde von seinem Sohn einmal entmachtet.

Uranus bringt also viel Verrücktes hervor, unter anderem inakzeptable Kinder, die in ihrer Urgewalt und Ungestalt niemand mögen kann. Das ist uns inzwischen zur Genüge bekannt, denn auch die Kinder des Fortschritts in Gestalt von Atombomben und -kraftwerken sind ein Gräuel, obwohl manche noch stolz auf diese Irrwege sind, die mit Nobelpreisen gepflastert wurden und unsere Zukunft bedrohen. Wir erkennen hier den Versuch, diese speziellen titanisch-gigantischen Naturgewalten über Normen und Gesetze zu beherrschen oder sie weitgehend mittels Rationalisierung aus dem Leben zu drängen.

Selbst noch des Uranus größter Akt, der ihn auch zugleich das Leben kostet, in den er also alles hineingibt, was er noch hat, nämlich die Erschaffung der schaumgeborenen Liebesgöttin Aphrodite-Venus aus seinem zum letzten Mal aufschäumenden und ins Meer stürzenden Glied, beinhaltet durchaus viel Ambivalenz. Die Liebe und besonders die uranisch-himmlische Liebe auf den ersten Blick, die wie ein Blitz trifft und das Leben ebenso plötzlich wie tiefgehend verändert, kann viel Verwirrung stiften, vor allem wenn sie nicht durch Kenntnis der Spielregeln des Lebens abgefedert wird. So rasch und unerwartet, eben uranisch, heiße Verliebtheit aufschäumt, so ungewollt schnell und erschreckend kann sie in kalten Hass umschlagen. Tatsächlich erleben wir heute, wie die aus uranischer Verliebtheit entstandenen Beziehungen nicht mehr annähernd halten, was sie ursprünglich versprachen: ein Leben bis zum Ende. Stattdessen erreichen Scheidungsraten nie geahnte Rekordmarken.

Innovationen des Hephaistos

Ein weiterer Uranier ist Hephaistos, der Urenkel von Uranus und Sohn von Zeus und Hera. Von Letzterer und damit der eigenen Mutter wird er aus Enttäuschung über seine mickrige Erscheinung vom Olymp geworfen. Dank seiner uranischen Natur überlebt er aber sowohl den Höhenunterschied als auch den langen Flug, landet unversehrt im Meer und wird damit nicht nur der Ahnherr von Fallschirmspringern und Himmelsfliegern. Er erweist sich auch als genialer Schmied, der das Handwerk seiner Vorfahren, der Titanen, wieder aufnimmt.

Als sich sein Ruf verbreitet, erkennt Hera, welch genialen Sohn sie verstoßen hat, und holt ihn zurück und versucht, ihren Fehler wiedergutzumachen. Sie verhilft Hephaistos sogar zu Aphrodite-Venus als Frau, so dass uranisches und venusisches Prinzip erneut zusammenkommen. Für diese lange entbehrte Zuwendung ist Hephaistos so dankbar wie oft misshandelte Kinder gegenüber ihren brutalen Eltern, dass er Hera sogar gegen Zeus verteidigt, als der sie nach ihrem missglückten Aufstand gegen ihn am Himmelszelt aufhängt.

Aus Wut über Hephaistos’ Parteinahme für Hera und zur Strafe wirft Zeus ihn nun zum zweiten Mal vom Olymp. Diesmal fällt Hephaistos aber nicht ins Meer, sondern schlägt auf dem Land auf und bricht sich beide Unterschenkel und Knöchel, wodurch er zeitlebens lahm und auf seine selbstgefertigten goldenen Krücken angewiesen bleibt. Als echter Uranier kommt er aber neuerlich auf die Beine. Die Grausamkeit seiner beiden Eltern, die ihn hintereinander verstoßen und fallengelassen haben, macht ihn zum Vater aller Prothesen. Und wie fast alle misshandelten uranischen Kinder nimmt er es nicht weiter krumm, sondern verzeiht und fertigt – wie zum Dank – für die olympischen Götter eine Fülle ans Wunderbare grenzender Kunstwerke und Geschmeide wie den Wagen des Helios, den Bogen der Artemis, die Pfeile des Apollon und Charis, den Gürtel seiner Frau Venus-Aphrodite, der für ihr Charisma steht.

Hephaistos konstruiert jedoch auch die Prototypen der ersten Roboter: die schöne Pandora und die goldenen Frauen. Diese nehmen ihm, dem nach dem zweiten Himmelssturz Behinderten, die alltäglichen Arbeiten ab, so dass er freie Hand für seine Erfindungen und Fortschritte hat. Aus den goldenen Frauen sind längst (Produktions-) Roboter geworden, mit denen man sich in den sowieso schon reichen Industrieländern goldene Nasen verdient und dabei den immer noch Armen die Arbeitsplätze wegnimmt beziehungsweise wegrationalisiert. Wenn Roboter wirklich gebraucht würden wie bei den Atomkatastrophen der letzten Zeit, bei denen die Uranstäbe und mit ihnen das atomare Feuer außer Kontrolle geraten sind, stehen sie nicht zur Verfügung oder erweisen sich als nicht tauglich. Wo sie modernen Behinderten helfen könnten, sind sie für diese Zwecke viel zu teuer. Letztlich sind Roboter ein sehr zweischneidiges Geschenk des Uranusprinzips an die moderne Welt, wobei diese Ambivalenz ausgesprochen (arche-)typisch ist.

Wassermannzeit

Ganz eng mit dem Uranusprinzip sind Genie und Wahnsinn verbunden. Unsere heutige Uranuszeit, das vielbesungene Wassermannzeitalter, braucht unbedingt mehr Wissen über das Phänomen Genie und seine Förderung. Andererseits ist heute gerade Gleichmacherei und Nivellierung ein großes Anliegen – solange es Uranus nicht selbst betrifft.

Dieses Prinzip fördert die Individualisierung und Individualität wie kein anderes, zugleich liebt man unter diesem Lebensprinzip aber die Gleichheit, eine der drei Grundforderungen der Französischen Revolution. Das ist aber beileibe nicht der einzige Widerspruch im uranischen Wesen, das Widersprüche und deren Versöhnung geradezu liebt.

Die Sternstunden der Menschheit gehören ebenfalls zum Uranusprinzip. Stefan Zweig hat eine entsprechende Auswahl aus der ihm bekannten Vergangenheit in seinem gleichnamigen Buch verewigt. Sein Werk drängt auf Fortsetzung. Wir brauchen insgesamt wieder ein Verständnis für die Qualität der Zeit und besonders für die uranische Qualität des Hier und Jetzt. Hoffentlich wird dieses Buch dazu beitragen, sie wieder wahr- und wichtig zu nehmen.

Uranus regiert die Zeit von der Pubertät bis zur Adoleszenz, also die Sturm-und-Drang-Periode des Lebens. Wenn junge Leute aufbrechen, das Fürchten zu lernen und die Welt zu erobern, ist Uranus angesagt. Wirklich klassisch uranisch war die Hippiezeit mit ihren Slogans und der Symbolgeste, in Gewehrläufe Blumen zu stecken. »There’s a whole generation with a new explanation«, sang Scott McKenzie in »San Francisco«, der Hymne der Hippies. Studenten veralberten bei Demonstrationen das verachtete Establishment mit Sprüchen wie »Unter den Talaren – der Muff von 1000 Jahren«. Jugendlicher Idealismus, der alles anders und viel besser machen will, gehört zum uranischen Lebensprinzip mit seinem Schwung, seinen verrückten Ideen, seiner Lust zu Aufbruch und abrupten Abbruch. Rücksichtslos gegenüber dem Alten und voller hochfliegender Träume im Hinblick auf die Zukunft wird darangegangen, die Welt aus den Angeln zu heben, um eine ganz neue, ideale entstehen zu lassen.

Auch die sozusagen umgekehrte Pubertät der Wechseljahre hat durchaus uranische Züge, geht es doch in dieser Phase des Lebens um radikale Veränderung und Umkehr mit dem inneren Ziel, Männliches und Weibliches in sich zu vereinen. Das Buch Die närrischen Alten von Adolf Guggenbühl-Craig wird Uranus und diesem Altersabschnitt gerecht. Sehr uranisch heißt es darin: »Einem nicht von sich widersprechenden Bildern geleiteten Menschen kann nicht getraut werden.«

Politik(er)

Abraham Lincoln, der sich für die Abschaffung der Rassendiskriminierung in Nordamerika starkmachte und damit den amerikanischen Bürgerkrieg auslöste, ist ein typischer Vertreter des Uranusprinzips. Sein uranisch plötzlicher Tod war uns schon bei den Parallelen zu John F. Kennedy begegnet.

Franklin D. Roosevelt erfand in sehr uranischer Weise den New Deal und verordnete den USA erstmals eine Art soziales Gewissen. Obwohl er ein liberaler und verantwortungsvoller Politiker war, ließ der die erste Atombombe bauen und starb noch vor ihrem Einsatz.

Bemerkenswert ist auch Ronald Reagan, der nach seiner Hollywoodkarriere US-Präsident wurde. Er gewann den Rüstungswettlauf gegen die Russen, und obwohl ein konservativer Hardliner, beendete er – inspiriert von Gorbatschow – den Kalten Krieg und dezimierte die Atomwaffen drastisch. Während seiner Regierung setzte er vor allem auf Teamarbeit.

Auch am Beispiel von Ludwig Erhard, dem Vater des deutschen Wirtschaftswunders, lassen sich uranische Qualitäten anschaulich machen. Nach dem Krieg nutzte er die Währungsreform zum Neustart. Das Geheimnis des Erfolges war, dass er viele bürokratische Regeln abschaffte und Menschen mit innovativen Ideen förderte.

Feuilleton

Zirkus und Varieté, das große Feuerwerk, alle spektakulären Events und Performances leben genauso wie die Kleinkunst in Comedy, Kabarett und Karikatur aus dem Uranischen. So verrückte Neuerungen wie Breakdance oder Modern Dance sind hier ebenfalls zu Hause – und noch früher Charleston und Stepptanz im Sinne von Gene Kelly, Fred Astaire und Ginger Rogers. Die moderne Kunst unter dem Uranusprinzip setzt auf Collagen und Verfremdungen, Video- und Computerkunst. In der Malerei finden wir hier die abstrakte Richtung und die vielen verrückt anmutende surrealistische Malerei. In der Musik zählen Zwölftonmusik und alle atonale wie auch experimentelle Musik zum Uranusprinzip. Die elektronische Musik eines Jean Michel Jarre, des ersten bekannten Synthesizer-Virtuosen, ist hier beheimatet.

Wolfgang Amadeus Mozart, das Genie unter den Komponisten, wurde unter dem Uranusprinzip geboren. Aufgrund seiner extrem hohen Begabung fiel er von Anfang an auf. Er war sehr über- und oft auch durchgedreht, wie es Milos Formans Film Amadeus deutlich machte, und blieb von seiner Zeit unverstanden. Als körperlich sehr kleiner Linkshänder musste er zeitlebens hinter dem (physisch) großen Salieri zurückstehen, der seine wenig genialen Noten eher mühsam niederschrieb, aber eben mit rechts. Salieri wirkte auf den Kaiserhof rechtschaffener, und das Genie Mozart starb früh und elend, in seiner Heimat verkannt und in seinen hochfliegenden Träumen frustriert. Er wurde in einem Massengrab mehr verscharrt als beigesetzt und hinterließ doch den größten Musikschatz, den die Welt hat.

Auf technischem Gebiet ist Thomas Alva Edison von vergleichbarer Bedeutung. Der Meister der Erfinder ließ auf den Spuren von Prometheus, des anderen Uraniers, den Menschen das elektrische Licht aufgehen, indem er die Glühbirne erfand. Aber er setzte mit dem Gleichstrom auf die falsche Technik, während sein im Sternzeichen Krebs geborener Konkurrent Nikola Tesla den Wechselstrom voranbrachte, aber im Gegensatz zu Edison nie Anerkennung fand.

Charles Lindbergh, der als erster mit seinem kleinen Propellerflugzeug namens Spirit of St. Louis den Atlantik überflog, war natürlich im Zeichen Wassermann geboren und ein typisch uranischer Geist.

Jules Vernes, der erste wirkliche Science-Fiction-Schriftsteller, Autor von Werken wie In 80 Tagen um die Welt und Reise zum Mittelpunkt der Erde, dessen Visionen von der modernen Zeit längst eingeholt wurden, ist ein weiterer Vertreter des Uranusprinzips. Wie auch James Joyce, dessen Werk Ulysses so viele Ebenen zusammenbringt und vermischt und bis heute Rätsel aufgibt. Somerset Maugham lässt als Uranier ebenfalls viel Uranisches in seine Zeilen einfließen. In dem Roman Auf Messers Schneide geht es um den verrückten und dabei so anmachenden Lebensweg eines jungen Amerikaners, der nach dem Entsetzen des Ersten Weltkriegs nicht zur Tagesordnung übergeht, sondern seinen Eingebungen und Geistesblitzen folgt und einen beeindruckenden spirituellen Weg beschreitet.

Spirituelle Schriftsteller wie der Seher Emanuel Swedenborg, der Theosoph C. W. Leadbeater oder der indische Meister Ramakrishna hatten alle drei zusätzlich zu ihrer Sonne noch zwei weitere Planeten im Wassermannzeichen. Ihr Werk ist stark vom Uranusprinzip geprägt. Charles Dickens, der sozialkritische Autor des Oliver Twist, ist ebenso ein typischer Uranier wie Alfred Adler, der am wenigsten bekannte, aber am stärksten sozial engagierte unter den drei großen Psychoanalytikern der ersten Stunde.

Generell ist Uranus unter den Schauspielern häufig vertreten, ermöglicht dieser Beruf doch ein außergewöhnliches Leben. Die Liste ist also lang, so finden sich hier Clark Gable, Burt Reynolds, John Travolta, Jack Lemmon, Vanessa Redgrave, Mia Farrow, Jeanne Moreau und nicht nur vom Namen her Hella von Sinnen. Unter den herausragenden Schauspielern gab James Dean den ewigen Jüngling, der noch heute auf Postern die Wände der Zimmer junger Mädchen ziert. Paul Newman, der sich bemühte, Geschmack ins US-amerikanische Leben zu bringen und das mit seinen Rollen auch schaffte, wurde mit dem Vertrieb seiner Saucen noch reicher. Diese Erlöse soll er ein Leben lang gespendet haben.

Falco, der österreichische Weltstar und musikalische Vater von »Amadeus«, lebte und starb uranisch, man weiß bis heute nicht, woran und wodurch oder durch wen. Er steht auch selbst im Verdacht.

Die fürstlichen Glamour-Stars Caroline und Stephanie von Monaco sind beide im Zeichen Wassermann geboren und kommen weder zur Ruhe noch aus den Schlagzeilen, ob sie im Ehebett mit einem Playboy oder im Zirkus landen, ihren Leibwächter becircen oder öffentlich nicht singen können, sich mit einem schlagkräftigen Hochadelsspross zusammentun oder ihre Kinder von lauter verschiedenen Vätern haben. Außergewöhnlich uranisch war auch die Entscheidung von Edward VIII., auf den englischen Thron zu verzichten, um seine bürgerliche Geliebte Wallis Simpson heiraten zu können. Er tauschte dadurch strenge Hofetikette mit viel Verantwortung gegen ein relativ freies Jetset-Leben.

(Arche-)typische Problemkette

Individuelle Unfallneigung – die » Unfaller«

Der Volksmund weiß, ein Unglück kommt selten allein, und vermutet »das Gesetz der Serie« dahinter. Wer nicht aufpasst, kommt bekanntlich vom Regen in die Traufe. Hinter solchen Redewendungen verbirgt sich Urprinzipienkenntnis beziehungsweise die vom Uranusprinzip, das sich in Un(glücks)fällen Bahn bricht, wenn es nicht genug Beachtung bekommt. Andererseits ergibt sich hier die Möglichkeit der Umpolung, wenn jemand den Schritt vom Pechvogel und Unglücksraben zum Glückskind oder Glückspilz schafft. Die Tatsache, dass beim Unglück doppelt auf Vögel hingewiesen wird, zeigt bereits die uranische Beteiligung, die auch immer dann ins Spiel des Lebens kommt, wenn man jemandem den Vogel zeigt und dabei an die eigene Stirn tippt. Hier spinnt jemand beziehungsweise gibt den verrückten Vogel. Dass diese Fremdeinschätzung als Beleidigung betrachtet und zum Teil sogar Anlass von Gerichtsprozessen wird, verrät unsere Feindlichkeit gegenüber der Auseinandersetzung mit Schattenthemen.

Das Wissen über Unfälle und ihre Verhütung ist weit fortgeschritten: Achtzig Prozent der Unfälle gehen auf das Konto von zwanzig Prozent der Menschen, sowohl im Verkehr als auch in Sport und Freizeit. Zwar wird noch immer allopathisch versucht, durch Schutzbleche und -gitter, durch Warnschilder und bessere Einschulung Unfälle am Arbeitsplatz zu verhindern, aber letztlich lässt sich obiges Gesetz dadurch nicht aushebeln. Was sich stattdessen als echte Unfallprophylaxe herausstellt, ist eine uranische Lebensstrategie, die mehr Abwechslung ins Leben bringt. Werden nämlich die sogenannten Unfallpersönlichkeiten, kurz »Unfaller«, auf andere Arbeitsplätze umgesetzt, verschwindet ihre Unfallneigung für kurze Zeit, offenbar genau so lange, bis sie sich wieder an die neue Situation gewöhnt haben und Routine einkehrt. Gegen diese und ihre Monotonie rebellieren sie nämlich unbewusst und sei es durch die Abwechslung, die Unfälle mit sich bringen. Setzt man sie aber immer wieder um und verschafft der Abwechslung damit einen gleichsam sicheren Platz in ihrem Leben, hören die Unfälle auf. Als Nebeneffekt werden dabei noch aus den ungeschicktesten und kostspieligsten Arbeitskräften die besten, denn sie lernen durch ihre wechselnden Einsätze als Springer und Urlaubsvertretung sowie beim Einschulen neuer Leute und so weiter die Abläufe mit mehr Überblick kennen und sind in der Lage zu besserer, oft durch gute Ideen produktiverer Mitarbeit.

Kollektive Unfälle

Unglücksfälle im kollektiven Bereich folgen einer ähnlichen Logik wie die im individuellen, und wir können auch hier Uranus als Vater der Katastrophen ausmachen. Im Griechischen heißt hé katastrophé auch Umkehrpunkt, und genau darum geht es dem Uranusprinzip, das ständig Revolutionen oder wenigstens Reformen anstrebt.

Als der Eiserne Vorhang fiel beziehungsweise in sich zusammenbrach und die Wende das Ende des Kommunismus einleutete, war das Uranusprinzip im Spiel. Gorbatschow hatte schon davor gewarnt, die Zeichen der Zeit zu verkennen. Viel zitiert ist sein berühmter Ausspruch: »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.« Doch einige haben nicht zugehört und sich dann von den Ereignissen abstrafen lassen. Eine ähnliche Situation haben wir heute in den arabischen Ländern und den dort ablaufenden Revolutionen. Die Zeit der Potentaten, Diktatoren und repressiven Regimes scheint vorbei zu sein.

Vergleichbar ist die Situation im Energiebereich. Gerade wollten die Hardliner in Wirtschaft und Politik noch die Atomlaufzeiten verlängern und die Atomstromquellen ausbauen, bewirkte das Desaster von Fukushima die Wende selbst in deren Köpfen. Fast alle Deutschen wollten daraufhin so rasch wie möglich nur noch raus aus dem strahlenden Elend. Das Uranusprinzip könnte auch hier helfen, dem Umschwung aus der Katastrophenstimmung von Japan Flügel zu verleihen und nicht nur Deutschland in eine neues Energiezeitalter zu katapultieren. Was diese Wende angeht, müssen wir der japanischen Hilflosigkeit fast dankbar sein. Eine ungekannte Begeisterung für erneuerbare Energien ist entbrannt, und weitere gute Ideen des Uranusprinzips sind gefragt, um die Zukunft energetisch neu und ganz anders zu gestalten.

Der uranische Technikwahn mit seiner Beziehungskälte könnte bei dieser Gelegenheit gleich mit auf den Prüfstand und unter die Räder kommen. Viele Menschen wissen selbstverständlich, dass wir die Technik brauchen, um die Zukunft zu retten. Sie erleben es aber auch, wie wenig sie bringt, wenn sie von gefühlskalten Technokraten beherrscht und verwaltet wird. Es könnte der richtige Zeitpunkt sein, um uranische Umwelt- und Klimatechnologie mit saturninem Verantwortungsbewusstsein zu versöhnen – entsprechend der Tatsache, dass Saturn der alte Herrscher von Uranus ist. Wenn wir die Wunder der Technik obendrein mit der Intuition verbinden, die jetzt so viele Menschen dazu bringt, am kalten Technikwahn der Atomkonzerne zu (ver-)zweifeln, wäre unsere Zukunft grün und voll Hoffnung auf eine bessere und gesündere Welt.

Uranische Narren

Ein weiteres Uranusthema rankt sich um den Heyoka, den Narren im Rat der Indianer, und um den Hofnarr des Mittelalters. Besonders der Heyoka verrät seine Verbundenheit mit dem Uranusprinzip in jedem Moment, bestand doch seine Aufgabe vor allem darin, die Gegenposition einzunehmen. Wenn alle einer Meinung waren, vertrat wenigstens der Heyoka die oft verrückte Gegenmeinung, und so war der Gegenpol immer besetzt und mit im Spiel. Natürlich folgten die Indianer diesen meist verrückten, doch stets außergewöhnlichen und originellen Ratschlägen nur ganz selten. Aber ein wenig Karneval war bei ihnen auf diesem Weg immer einbezogen.

Ähnlich uranisch, wenn auch anders ausgestaltet, war die Rolle des Hofnarren an den Fürsten- und Königshöfen des Mittelalters. Seine Aufgabe bestand darin, die Wahrheit auf spaßige Art auszudrücken. Geschah dies witzig genug, konnte er als Einziger auch dem Herrscher widersprechen und sich sogar über ihn lustig machen – eine gefährliche Gratwanderung, die nur durch die Narrenkappe abgesichert war. Es bot der adeligen Gesellschaft aber die Chance, das Uranusprinzip ins Leben zu integrieren, statt sein Opfer zu werden. »Kinder und Narren sagen die Wahrheit«, weiß der Volksmund – und kaum jemand verkörpert dies besser als die verrückte Figur Pippi Langstrumpf.

Heute sind Reste dieses geradezu weisen Umgangs mit dem sonst völlig unberechenbaren Prinzip bei modernen Kabarettisten zu finden, die ebenfalls auf uranisch witzige Art Missstände anprangern und die Menschen zum Lachen bringen über all den Widersinn der Politik und des modernen Lebens. Noch direkter folgen die Faschingsrituale dem alten Narrenmuster, wenn die Herrschenden in Büttenreden in die Pfanne gehauen oder ihnen beim traditionellen »Derblecken« am Münchner Nockherberg die Leviten gelesen werden. Das Lachen hebt, dem uranischen Prinzip entsprechend, ein Stück über das Problem hinaus und verhilft damit zu Überblick. Lachen ist gesund und kann schwierige Situationen entschärfen; es hilft, alles »anders« zu sehen und damit einer Lösung näher zu bringen. Das zu Uranus gehörende »Heureka!« (»Ich hab’s gefunden !«) vermittelt die Blitzerkenntnis einer plötzlichen Veränderung der Perspektive und Realität.

Eine weitere wichtige Bühne des Uranusprinzips ist das närrische Alter, wobei diese Qualität bei uns bisher auf Ausnahmen wie den Kultfilm Harold und Maude beschränkt bleibt. Darin ist Maude eine alte, weise und witzige Frau, die das Leben gelebt und verstanden hat und deshalb völlig befreit aufleben kann und manchen anderen sogenannten Erwachsenen manches Rätsel aufgibt. Lediglich der verrückte Junge Harold kann da noch mithalten.

In einer Zeit, in der alle alt werden wollen, aber niemand mehr alt sein will, liegt in diesem Archetyp des närrischen Alten eine große Chance für Einzelne und für alle. Denn wenn wir dieses Thema nicht mit Witz und Humor angehen, wird es uns einholen und zum Schatten werden. Wenn alle etwas werden wollen, was dann niemand sein will, werden alle unglücklich. Da aber alle glücklich werden wollen, müssen wir uns etwas einfallen lassen, und es käme den närrischen Alten dabei eine wundervoll witzige und aufrüttelnde Rolle zu, nämlich die Gegenposition zu all den alten Politikern einzunehmen, die sich krampfhaft und zum Schaden aller an die Hebel der Macht klammern. Würden stattdessen alte Damen wie Maude in den Mittelpunkt rücken, die Schweres und sogar Schreckliches erlebt, aber verarbeitet haben und die, mit ihrem Leben ausgesöhnt, noch auf inspirierende und witzige Art mitmischen, käme viel erlöste uranische Bewegung in die Welt, die wir in dieser uranischen Zeit so überaus gut brauchen könnten. Der schon erwähnte Psychologe Adolf Guggenbühl-Craig sagt dazu: »Gebt uns Narrenfreiheit!« Dies wäre ein passender Slogan für eine öffentliche Demonstration alter Leute. Die gewaltige Zunahme des Anteils alter Leute bringt große Möglichkeiten mit sich: So könnte Narrheit wieder zum Zuge kommen – inmitten von Rationalisierung und hochentwickelter Technik.

Ewige Jünglinge

Als Problem zeigt sich auf dem Gegenpol auch der ewige Jüngling oder Puer aeternus, jener dem Jugendkult verhaftet bleibende alternde Mann, der die Kurve im Leben nicht bekommt und deshalb auf die charmanteste Art ständig vom Tod bedroht bleibt. Er findet sich besonders unter Uraniern und hier vor allem wieder unter Piloten und anderen luftigen Wesen. Peter Pan, der fliegende Held, der mit seinen kleinen Freunden und der Fee Tinkerbell im (erdachten und erträumten) Nimmerland lebt, in dem niemand erwachsen werden muss und darf, ist der Prototyp.

Antoine de Saint-Exupéry, der sich lieber als Militärpilot ein Flugzeug kaperte und damit abstürzte und somit nicht erwachsen werden musste, gehört zu diesem Typ Mensch. Auf den Spuren seines kleinen Prinzen, mit dem er den Archetyp des erlösten Kindes unsterblich machte, verweigerte er sich auf die sprachlich poetischste und ansprechendste Art dem Erwachsen- und Vernünftigwerden. Auch sein kleiner Prinz ließ sich lieber von der Schlange beißen, als wirklich auf die Welt zu kommen und in ihr verantwortlich zu leben. Wie sein geistiger Vater wurde er zum Modell für viele ewige Jünglinge.

James Dean ging lieber mit seinem Porsche über die Grenze, als erwachsen und alt zu werden. Nicht auszudenken, welches Bild er heute als alter Mann abgäbe.

Auch der Großwildjäger Denys Finch Hatton, dem Tania Blixen ein literarisches Denkmal gesetzt hat, flog lieber jenseits des Horizontes, als sich mit einer richtigen Frau auf ein richtiges Leben mit einem Alltag einzulassen. In der Romanverfilmung Jenseits von Afrika entwickelt sich überdeutlich das Muster des ewigen Jünglings, der sich trotz aller Liebe dann doch lieber über die Wolken davonmacht, wundervoll dargestellt von Robert Redford. Wir erkennen einen attraktiven Lebemann, einen charmanten Playboy, der in bestem Kontakt mit seinem inneren Kind das Leben spielt und auf diese uranisch anmachende Art auch verspielt.

In Richard Bach wird die erlöste Form des Puer aeternus deutlich, denn auch der geistige Vater der Möwe Jonathan ist lange in Gefahr, lieber abzustürzen als erwachsen zu werden, wie er in seinem autobiographischen Roman Brücke über die Zeit freimütig bekennt. Aber er lässt sich im letzten Moment von der Liebe zurück auf die Erde holen und in ein richtiges Leben verwickeln.

Die Puella aeterna, das weibliche Gegenstück, wird dagegen kaum zum Problem, einfach weil sie in der patriarchalischen Gesellschaft nicht annähernd so gut ankommt. Playgirls werden eher verachtet, selbst wenn in emanzipierten Zeiten sogenannte It-Girls wie Paris Hilton ein wenig aufholen. Letztlich aber bleiben sie doch eher belächelt und mehr bedauert als bewundert.

Individualität und Gleichmacherei

Das Uranusprinzip steht für Innovation und das bisher undenkbar Scheinende. Zugleich repräsentiert es die höchste Form von Individualität, und persönliche Freiheit steht ganz oben auf der Wunschliste. Dem widerspricht aber seine andere Seite mit dem Hang zu Gleichmacherei und Nivellierung über Parolen wie »Alle Menschen sind gleich und sollen Brüder sein«. Dieser Aspekt führt zum Beispiel zur Einrichtung von Gesamtschulen, in denen alle zwar die gleichen Chancen bekommen, aber die Begabten sich zu Tode langweilen und als hyperaktive Jungen in der Schmuddelecke landen und die Minderbegabten auf ein Niveau hochgetrimmt werden, das ihnen das Leben schwermacht und das sie auf Dauer nicht halten können.

Andererseits ist gerade dem Uranusprinzip auch Eliteförderung ein Anliegen, vor allem wenn Uranus selbst betroffen ist. Denn tatsächlich nimmt ein uranisches Wesen sich selbst gern aus, wenn es darum geht, durchzusetzen, was für alle gut ist. Hier macht sich das Erbe Saturns bemerkbar.

Oftmals wollen sich uranische Menschen den eigenen hochfliegenden Idealen gar nicht selbst beugen. Durch die gern eingenommene Vogelperspektive gerät der Einzelne mitsamt seiner Gefühlswelt leicht aus dem Fokus, und nach dem Motto »Wo gehobelt wird, da fallen Späne« kommt es dann zu unverhältnismäßig vielen Spänen. Typisch sind auch Verallgemeinerungen: »Alle außer mir sind so konservativ« oder »Keiner außer mir erforscht wirklich Neues«.

Aufbruch in eine neue Zeit

Vor allem fördert das Uranusprinzip den Aufbruch in eine neue Zeit, und in dieser Wassermannära ergeben sich dafür viele Möglichkeiten der Ausgestaltung. Eine Organisation wie Avaaz, das Netzwerk für politische, ökologische und einem humanistischen Menschenbild verpflichtete Kampagnen, gewinnt immer mehr an Einfluss. Bei der früher ohnmächtigen und gezwungenermaßen schweigenden Mehrheit hat sich durch gute Vernetzung vieles geändert. Avaaz entwickelt sich zunehmend zum Gegengewicht gegenüber gewalttätigen Despoten, Konzernen und ihren Lobbyisten, korrupten Politikern, machtbesessenen Fundamentalisten und machtkranken Bossen und verleiht dem »Guten« im Menschen eine mächtiger werdende Stimme. Und wir Unterstützer spüren immer deutlicher den Rückenwind, den solche Gegenposition heute erfährt, wenn etwa der Grand Prix der Formel 1 in Bahrein gestoppt, Todesurteile gegen Homosexuelle gebannt, eine Gruppe von elder statesmen beim überfälligen Versuch, den Krieg gegen die Drogen zu überdenken, der Rücken gestärkt wird.

Der Aufschrei von Millionen wird selbst von Diktatoren zur Kenntnis genommen. Es wird in dieser modernen uranischen Welt schwerer, vergewaltigte Frauen oder solche, die sich vor einem prügelnden Mann gerettet haben, zur Strafe auch noch zu steinigen. Für Pharmakonzerne und demokratisch gewählte und anschließend gekaufte Politiker wird es zumindest schwerer, die Heilmittel der Natur zu (ver)bannen. So entstehen Felder der Bewusstheit, die zum Erwachen von immer mehr Menschen führen, die sich nicht länger für dumm verkaufen lassen und mit der explodierenden Kommunikationselektronik und dem alles verbindenden Internet rasch reagieren können.

Ein Beitrag zu diesen Feldern der Bewusstheit ist auch das Feld ansteckender Gesundheit. Hier geht es darum, von einzelnen Kristallisationspunkten aus – wie dem alljährlichen Atem- und Energiefestival rund um den verbundenen Atem im Herbst – ein wachsendes Feld für transpersonale und Einheitserfahrungen zu schaffen. Getragen vom gleichnamigen Netzwerk37 und vielen kleinen Gruppen hoffen wir, ein großes Energiefeld für diese bewusstseins-erweiternde Atemmethode zu etablieren. Das uranische Ziel besteht darin, in einem alle verbindenden Feld gemeinsam zu wachsen und sich zu entwickeln, um sowohl der Zukunftsvision als auch dem gegenwärtigen Augenblick immer näher zu kommen und schließlich in ihn einzutauchen.

In diese Richtung geht auch unser Engagement, APL-Ausbildungen 38 (Angewandte Prinzipien des Lebens) überall und am liebsten in allen Städten zu etablieren, um das Wissen der Schicksalsgesetze (APL 1-3) und Lebensprinzipien (APL 4-7) so weit zu verbreiten, dass eine verlässliche Lebensbasis für viele entsteht und so leicht durchschaubare Angstkampagnen wie die der Vogel- und Schweinegrippe in Zukunft keine Chance mehr haben. Die anschließende Lebensschule in Gestalt von Wochenseminaren von »Körper-Bewusstsein« über »Seelen-« bis zu »Mythen-Bewusstsein« umfasst auch zwei praktische Wochen zu den Lebensprinzipien, um diese endgültig und über praktische Erfahrungen in Fleisch und Blut zu verankern. Unsere Zeit ist reif, dem Leben sowohl seine Wurzeln als auch seine spirituelle Dimension zurückzugeben.

Dem uranischen Lebensprinzip entspricht neben seiner futuristischen Ausrichtung auch das Hier und Jetzt der Gegenwart – so wie es Buddhisten anstreben, wie es aber auch Christen zum Auftrag gemacht ist in dem Satz: »Sehet die Vögel des Himmels, sie säen nicht, sie ernten nicht und leben doch.« Wenn wir nicht freiwillig in den Augenblick kommen, werden wir dazu gezwungen, und zwar zum einen über immer kürzere Arbeitsverhältnisse im Sinne von Zeitarbeit und immer kürzere Beziehungen bis hin zu One-Night-Stands, zum anderen durch Krankheitsbilder, die Augenblicksbewusstsein einfordern wie Schmerzsyndrome und Depressionen.

Medizin

Uranische Orte im Körperland

Typisch uranisch sind sowohl die Sprunggelenke, die uns erlauben, ständig auf dem Sprung zu sein und den Absprung zu schaffen, als auch die Waden, die dazu die Muskelkraft verleihen.

Außerdem gehören die Synapsen zum Uranusprinzip, die den elektrischen Impulsen ermöglichen, von Nerv zu Nerv und vom Nerv zum Organ überzuspringen. Die sogenannten Neurotransmitter, jene hormonähnlichen Stoffe, die diese Übergänge biochemisch vermitteln, sind ebenfalls typisch uranisch und erlauben eine raffinierte Medizin und Einflussnahme auf die Lebensstimmung. Die Ecstasy schluckenden Raver und Techno-Kids können ein beschwingtes Lied davon singen, wenn sie auf ihren Love-Parades millionenfach die Schleusen für Serotonin im Gehirn öffnen und sich mit offenem Herzen der Verbrüderung hingeben, um so aus der Isolierung herauszukommen. Genauso zu erwähnen sind hier die Millionen Bürger, die Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer schlucken, vom (Medikamenten-)Typ Prozac in den USA oder Cipralex, Fluctine und so weiter in Europa, um sich in den Genuss von etwas mehr Serotonin zu bringen. In den USA soll ihre Zahl schon auf sechzig Millionen zugehen, wohingegen die Fans von Süßigkeiten sie zwar nicht von der Wirkung, aber von der Zahl ihrer Anhänger noch schlagen. Diese letzte millionenstarke Gruppe kann über große Mengen Süßigkeiten allerdings nur geringe Serotoninwirkungen erzielen. Sie riskiert eher schwerwiegende Nebenwirkungen wie Diabetes Typ II, Fettsucht, Knochenschäden und so weiter. Die gesündeste Lösung bietet der morgendliche Löffel der Rohkost »Take me«39, der auf vollwertige Weise über getrocknetes, fein gemahlenes Biogemüse den Serotoninspiegel für den Tag sichert. Die noch uranischere Alternative ist Lichtnahrung mit der absoluten Freiheit von Essen, Trinken und Toilette40.

Krankheitsthemen

Unfälle und Brüche gehören eindeutig zum Uranusprinzip, egal ob es sich um einen Bruch der Knochen oder in der Lebensgeschichte handelt. Im Idealfall – aus uranischer Perspektive gesehen – führt ein Knochenbruch auch zu einem in der Lebensgeschichte, obwohl es manchmal lange dauert, bis Betroffene das begreifen. Persönlich musste ich mir dreimal hintereinander die Knochen brechen, bevor ich meine Ambitionen als Skifahrer aufgeben konnte. Rückblickend hätte ich es natürlich auch schon nach dem ersten Bruch verstehen können, aber leider hatte ich als Jugendlicher eine viel zu lange Leitung. Erst der dritte Unfall brachte mir den Geistesblitz, wohl doch nicht als Ski-Rennläufer gedacht zu sein. Heute bin ich froh über die (Ein-)Brüche in mein junges Leben, die mich letztlich zurück auf die Arztspur brachten.

Generell kommt es zu Unfällen, wenn wir den Körper mit überzogenen Anforderungen strapazieren, statt die Lage im Geist zu überreißen. Das führt zu Situationen, in denen alle Stricke reißen, und tatsächlich reißen dann nicht selten Bänder und brechen Knochen. Wer von seinem Körper in der Mitte des Schienbeins ein Zusatzgelenk fordert, bekommt es in Form einer Bruchstelle. Der Körper tut uns fast jeden Gefallen, aber es handelt sich hier doch um eine verrückte (uranische) Kreativität an falscher Stelle und auf ungeschickter Ebene. Die Kreativität gehört auf die geistige Ebene, dann kann der Körper auf solche Extravaganzen verzichten und seine Struktur wahren.

Praktisch gesehen ist es für den Fußballer besser, sich richtig zum Ball zu stellen, damit er den Körper nachher nicht zu überfordernden Bewegungen zwingen muss, die in Unfallverletzungen ausarten. Unfall- und Verletzungsvermeidung beginnt also in Kopf und Bewusstsein; der Körper ist wieder nur die Bühne für jene Stücke, die das Bewusstsein nicht spielen will. Wir könnten diese materielle Bühne im Sinne von Krankheit als Symbol nutzen, um für die Zukunft zu lernen, wie wir ein Abrutschen von Lernaufgaben auf die körperliche Ebene vermeiden.

Formen der Epilepsie

Plötzliches, überraschendes Anfallsgeschehen wie die verschiedenen Formen der Epilepsie, aber auch Schlaganfälle sind ebenfalls uranisch geprägt. Formen wie die Schwatz- und Wanderepilepsie, Absenzen, kurze Dämmerzustände und Delirien, bei denen Betroffene für kurze Momente in andere Bewusstseinswelten versetzt werden, sind ebenfalls dem Uranusprinzip zuzuordnen. Eine andere Wirklichkeit bricht ins Leben ein.

Beim großen epileptischen Anfall (Grand Mal) haben Betroffene oft den Eindruck, etwas Fremdes falle sie von außen an. Indianer sahen es tatsächlich so und sprachen von der »heiligen Krankheit« wie auch die frühen Ärzte bei uns, die das Leiden als »Morbus sacer« bezeichneten. Der französische Ausdruck Grand Mal legt nahe, dass etwas »großes Böses« von außen kommt und sich des Gehirns bemächtigt. Dem brennen alle Sicherungen durch ob dieses alles bestimmenden elektrischen Herdes, der von außen wie ein Elektroschock wirkt. Der Bewusstseinsverlust verrät, wie abwesend die Seele der Betroffenen ist. Im Vorfeld kann der häufig vorausgehende Initialschrei die Angst vor dem auf sie zukommenden Übermächtigen deutlich machen. In der Ohnmacht, völlig ohne eigene Macht, mit reduziertem Blutdruck und fast stillstehender Atmung sowie starren, weiten Pupillen steht der Körper offensichtlich unter fremdem Einfluss und ist in fremder Macht. Beziehungsweise ist der eigentliche Besitzer wie abwesend und außer Stande, aus den eigenen Augen herauszuschauen. Die durch den Organismus laufenden Krampfwellen deuten auf Widerstand und Kampf. Der Schaum vor dem Mund spricht im übertragenen Sinn Bände wie auch der Zungenbiss. Lieber beißt sich hier jemand die Zunge ab, als auszusprechen, worum es gerade geht. Urin- und Stuhlabgang zeigen überwältigendes Loslassen und Sich-Ergeben gegenüber einer größeren und stärkeren Macht. Kein Wunder, dass unsere Vorfahren und archaische Menschen Gott im Spiel wähnten. Von außen betrachtet, liegen Betroffene wie in den letzten Zuckungen, um dann in den sogenannten terminalen Schlaf zu fallen, aus dem sie in der Regel mit Kopfschmerzen, Gedächtnisproblemen und einem müden, zerschlagenen Gefühl wieder erwachen und von nichts wissen.

Im Makrokosmos entspricht diesem Geschehen das Erdbeben mit seinen Schockwellen, die im Wasser als Tsunami nur deutlicher werden und länger nachwirken. Zwischen den Erdplatten aufgebaute Spannungen entladen sich dabei ruckartig und fast ohne Vorankündigung. Jedenfalls bemerken diese »Aura« nur Tiere, die sich oft rechtzeitig in Sicherheit bringen. Genial und uranisch ist folglich die Maßnahme, Blindenhunde zu Epileptikerhunden weiterzubilden, die Frauchen oder Herrchen schon kurz vor dem Anfall warnen, so dass diese sich in Sicherheit bringen und behandeln können. In den USA soll das schon so weit geglückt sein, dass solche Hunde Epileptikern wieder ermöglichen, Auto zu fahren, weil sie die Menschen rechtzeitig vor einem Anfall warnen. Betroffene können das Auto noch parken, ihre die Krampfschwelle hebende Akutmedizin nehmen und den Sitz zurücklehnen, so dass sie den Anfall gut vorbereitet und relativ unbeschadet überstehen und danach sogar weiterfahren können. Solche Epileptikerhunde sind eine (arche-)typisch uranische Antwort auf ein uranisches Krankheitsgeschehen.

Die Aura, dieser besondere Zustand vor dem Anfall, könnte also lehren, vermehrt auf Zeichen von innen und außen zu achten und lieber freiwillig als gezwungenermaßen auf Signale aus dem eigenen Körperland zu hören, zu horchen und ihnen rechtzeitig zu gehorchen. Besonders sensible Menschen spürten die Aura kommen und genossen sie sogar wie Dostojewski, und Mohammed hat in solchen Momenten die Suren des Koran empfangen. Der Schaum vor dem Mund regt an, lieber immer wieder vor Wut oder Liebe zu schäumen, statt mit gebremstem Schaum zu leben. Die eigene Aggression ließe sich kultivieren und in sinnvolle Bahnen lenken, statt sie sich zu verbeißen und auf die Zunge zu beißen und sich in Selbstzerfleischung zu ergehen. Die massive Aufforderung zum Loslassen könnte dazu veranlassen, sich in großen Orgasmen oder in der Meditation freiwillig vollständig gehenzulassen, sich also genussvoll hinzugeben und in einer anderen Wirklichkeit (an-)zukommen, statt sich ständig zusammenzureißen – eine Tendenz, die zum Beispiel im pedantischen, kleinkarierten Schriftbild vieler Epileptiker deutlich wird. Die erzwungene Hemmungslosigkeit im Anfallsgeschehen kann sich auch therapeutisch in entsprechenden Sitzungen mit dem verbundenen Atem entladen und so die Anfallsfrequenz spürbar reduzieren.

Spätschäden durch den Untergang von Nervenzellen nach vielen großen Anfällen entsprechen denen nach Elektroschocks oder schweren Alkoholräuschen. Der Elektroschock ist eine Methode, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, und sollte unter aufgeklärten Medizinern endgültig der Vergangenheit angehören.

Das Krankheitsbild fordert dazu auf, Spannungen zu entladen und sich an den großen eigenen Strom anzuschließen. Es zielt sogar darauf, sich anderen Welten und Dimensionen zu öffnen und vielleicht sogar mediale Offenheit zu entwickeln. Das Grand Mal wäre in »Grand Orgasme« zu wandeln, so dass der Fokus vom Kopf in den Unterleib rutscht, was sich auch bei Migräneanfällen gut bewährt. Empfehlenswert ist, ehrlich zu prüfen, wo Angst und Starre jene Energie staut, die hilft, zu neuen Ufern aufzubrechen und neue Lebensbereiche auszuprobieren. Die Halluzinationen des kleinen Anfalls (Petit Mal) könnten dazu anregen, sich der anderen Dimension bewusst zu widmen.

Bei der Schwatzepilepsie bricht eine Staumauer, und Verbales entlädt sich, das sonst unterdrückt bleibt. Bei der Wanderepilepsie kommt die Lust, aufzubrechen und sich davonzumachen zum Ausdruck. Wesensfremde Gewalttaten verraten den Durchbruch tiefsten Schattens, und in Wahrheit sind sie nicht wesensfremd. Es sieht nur für Psychiater so aus, die das Schattenprinzip ignorieren.

Weitere uranische Symptomgruppen

Koliken und alle Arten von Spasmen bis hin zu den beschriebenen großen epileptischen Krampfanfällen, aber auch jede Form von Verkrampfung auf übertragener Ebene, durch widerstreitende Gefühle, Emotionen und Energien gehören zum Uranusprinzip. Harmlose Wadenkrämpfe betreffen von der Art und der Lokalisation Uranus sogar in doppelter Weise.

Auch die sogenannte Geisteskrankheit Schizophrenie ist hier einzuordnen. Wörtlich übersetzt heißt sie »Spaltung des Gehirns«, doch diese teilen wir alle. Erst die dauerhafte Übernahme der Macht durch den Schatten, wie bei der Psychose, die nicht mehr verschwindet, gilt im psychiatrischen Sinn als Spaltung. Geisteskrankheiten mit solch bizarren Ausdrucksformen zeigen Uranisches in erschreckender und abstoßender Form. Den Schatten rechtzeitig zu integrieren im Sinne des Schattenprinzips erscheint da noch dringender.41

Der Autismus, wie ihn der Film Rain Man so eindringlich bebildert, hat hier sein urprinzipielles Zuhause. Dustin Hoffman spielt den autistischen Film-Bruder von Tom Cruise unglaublich einfühlsam, in einer Figur, die gar keine Gefühle äußern kann.

Keuchhusten mit seinen Hustensalven hat wegen der Plötzlichkeit der heftigen Anfälle aus scheinbar heiterem Himmel nicht nur viel Marsisches, sondern auch uranische Anteile.

Schließlich ist auch bei Krampfadern und offenen Beinen Uranisches mit im Spiel – sowohl von der Lokalisation an den Unterschenkeln als auch im Bild des verkrampften Flusses von Lebensenergie.

Rhythmusstörungen am Herzen betreffen zwar den Bereich des Sonnenprinzips, aber auf uranische Weise – wie die Extrasystolen genannten Aussetzer und anschließenden außerhalb des natürlichen Rhythmus fallenden Herzaktionen. Hier geht es darum, in Herzensangelegenheiten aus der Reihe zu tanzen, über die Stränge zu schlagen, unpassende Normen zu verletzen und außergewöhnliche Wege für die eigenen Herzenswünsche und -themen zu finden. Eine andere, allerdings unerlöste Ebene wären die mindestens so häufigen Seitensprünge in Herzensdingen.

Schließlich ist das schon erwähnte Krankheitsbild ADHS mit der Hyperaktivität für Uranus typisch. Das Bild des Zappelphilipps ist alt und aus dem Struwwelpeter gut bekannt. Doch heute kommen konzentrationsschwache Zappelphilippe in Millionen auf uns zu. Sie sind ein guter Spiegel für eine hektische, durchgedrehte Zeit, in der die Kinder oft nicht mehr draußen herumrennen, um Neues auszuprobieren oder Freundschaften und Feindschaften zu schließen, sondern in ihrem Zimmer allein ebenso ihre uranischen Fähigkeiten bei Computerspielen beweisen oder TV schauen. Meist sind die Väter dieser Jungen genauso hyperaktiv, was bei Vorturnern und Leistungsträgern auf der Karriereleiter aber kaum noch auffällt und oft sogar Voraussetzung ist. Im Buch Aggression als Chance ist es ausführlich beschrieben.

Uranische Energie im Namen

Angela, Angelo und Angelika, was übersetzt Engel und Engelchen bedeutet, haben uranischen Charakter; andererseits führt eine andere Bedeutungsspur nach England. Engel sind mit ihrer geschlechtsneutralen Art und in ihrer kühlen Schönheit sowie als geflügelte Himmelswesen jedenfalls sehr uranisch. Auch die Namen Fee und Felicitas gehören hierher; bei Fridolin klingt uranisch beschwingte Fröhlichkeit schon vom Klang her an.

Ebenso uranische sind Kim, Kay und Robin, denen das Geschlecht nicht anzuhören ist. Nicht selten sind diese Menschen von der im Namen mitschwingenden Geschlechtsneutralität geprägt und mit doppelter Zuneigungsfähigkeit gesegnet. Für eine gewisse Verwirrung kann auch Andrea sorgen. Im deutschen Sprachraum eindeutig ein weiblicher Vorname, ist es in Italien genauso unzweifelhaft ein männlicher.

Bearbeitung und Einlösung von Uranusthemen

Wie beim Thema Unfall aufgezeigt, geht es darum, freiwillig die uranische Energie ins Leben zu lassen, sich also bereitwillig Geistesblitzen und allem Ungewissen, möglichen Überraschungen und Originellem zu öffnen und diesem dann auch zu entsprechen. Es gilt, der Fantasie zu erlauben, Grenzen zu überschreiten und Tabus zu brechen, aus der Reihe zu tanzen, die Konformität sprunghaft zu überwinden, zu Höhenflügen jeder Art anzusetzen, über die Stränge zu schlagen und den Augenblick zu entdecken. Wer Karneval tatsächlich zu seiner fünften Jahreszeit macht und ausgiebig verrücktspielt, bearbeitet das Uranusprinzip; wer sich in den Augenblick verführen lässt, erlöst es sogar.

Die verschiedenen Entwicklungsstufen bedürfen natürlich wieder auf ihren unteren Ebenen stärkerer Wandlung als auf den mittleren.

 

1. Lebensfeindliche Theorien und Ideen sind dadurch zu bearbeiten, dass man sich selbst in ihre praktische Umsetzung hineinzuversetzen lernt und sich der Unvereinbarkeit mit den Lebensbedürfnissen bewusst wird. So lassen sich gefühllose Kämpfe für Ideologien, bei denen es zur Abwertung von Gefühl und menschlicher Nähe kommt, vermeiden. Innere Zerrissenheit mit der Gefahr, in den Wahnsinn abzugleiten, lässt sich bessern, indem man lernt, bei einer Sache zu bleiben. Damit steigen die Chancen, den Mangel an Zentrierung, die Gehetztheit und das Gefühl, auf vielen Hochzeiten tanzen zu müssen, zu lindern. Statt selbst dem Wahnsinn zu verfallen, geht es darum, die Welt mit bewusstseinsverändernden Geistesblitzen und weltbewegenden Einfällen aus den Angeln zu heben.

Überfallartig ins Leben einbrechende Panikattacken lassen sich bessern, wenn man dem alten Naturgott Pan freiwillig Respekt zollt. Er darf und will ins Leben integriert werden mit seiner ambivalenten Art, einerseits mit wundervollen Flötentönen aus einem schönen Oberkörper zu locken, um andererseits den bocksähnlich tierischen Unterleib so besser ins Spiel zu bringen.

 

2. Rebellion aus Prinzip und ständige Opposition lassen sich auf der zweiten Entwicklungsstufe konstruktiv und sogar für alle gewinnbringend im Sinne des Heyoka ins Spiel bringen. Bei wichtigen Neuerungen sind sowohl deren Preis als auch Konsequenzen zu bedenken. Statt als verrückter Sonderling wegen Überdrehtheit aufzufallen, ist es den Versuch wert, als Künstler, Entdecker oder Erfinder abzuheben oder auf der spirituellen Ebene die Grenze von Raum und Zeit auszuloten und vielleicht sogar zu überwinden. Die Distanz zu Gefühlen kann über das Sowohl-als-Auch – von Nähe zu Menschen als auch nötiger Distanz und eigenem Raum – überwunden werden. (Üb)erhebliche Selbstüberschätzung und Arroganz verlangen nach Leistung, um sich echte Anerkennung und Aufsehen und das Ansehen vieler Menschen zu verdienen. Getriebenheit wird durch die Anerkennung der Triebe und entsprechende Triebkraft erlöst. Unzuverlässigkeit kann in Spontaneität gewandelt werden.

 

3. Exzentrik und Sprunghaftigkeit regen auf der dritten Stufe zu Exzellenz in eigenen Darbietungen und großen Entwicklungssprüngen an. Mangelnder Realitätssinn dürfte in Fantasien und fantastischen Erkenntnissen Erlösung finden. Geringe Bodenhaftung kann zu erlöstem Abheben im konkreten Sinne des Fliegens, aber auch im übertragenen Sinn zu geistigen Höhenflügen führen. Der Anspruch, etwas Besonderes zu sein, und das Pochen auf Sonderrechte lassen sich durch besondere Leistungen und entsprechende Verdienste einlösen. Heimatlosigkeit kann zur Befreiung von Bindungen und Anhaftungen genutzt werden.

 

4. Individualismus und die Befreiung von Abhängigkeiten auf der vierten Stufe sind Schritte zur Individuation. Nonkonformismus und Veränderungsdrang sollten die Welt in Bewegung bringen, die eigene und die aller, und zu produktiven Ergebnissen und Lösungen führen. Humor und Witz wirken überall befruchtend und entspannend, können aber sogar in Klein- oder sogar Lebenskunst münden.

 

5. Die Überwindung von Gegensätzen wird auf dem Weg der Wahrheitssuche in letzter Konsequenz sogar von den Beschränkungen durch Raum und Zeit befreien. Experimentierfreude und Erfindungsgeist lassen sich auf immer wichtigere Bereiche lenken. Einfallsreichtum und geistige Kreativität im Verbund mit Gerechtigkeitsgefühl und Sozialempfinden können Entscheidendes für viele bewirken.

 

6. Der Idealismus der sechsten Ebene lässt höchste Ideale anklingen und visionäre Zukunftsperspektiven entstehen und bringt verblüffende und unkonventionelle Lösungen ins Spiel des Lebens. Unverbrüchliche Freundschaft braucht keine Erlösung mehr und verschönert jedes Leben.

 

7. Die letzte Stufe verbindet Genialität und Wahrhaftigkeit mit allumfassender Freiheit, der Befreiung von allen Abhängigkeiten im spirituellen Sinn.

Meditationen, Therapien

Lachmeditationen, durch gemeinsames Lachen in eigens organisierten Lachgruppen, komische Filme und Darbietungen oder einfach durch einen Lachsack ausgelöst, entsprechen dem uranischen Naturell. Inzwischen gibt es sogar wissenschaftliche Studien, die die heilsame Wirkung des Lachens belegen. In einer Zeit, in der viele wenig zu lachen haben, hat die Lachwelle, wenn sie auch anfangs etwas gezwungen wirkte, einiges an Befreiung in Gang gebracht.

Die Methode des islamischen Sufi-Meisters Mullah Nasrudin, der mit Witzen lehrt und tiefste Philosophie in Humor verpackt, gehört ebenfalls zu Uranus.

Auch Frank Farrelly setzt bei seiner Provokativen Therapie auf das Uranusprinzip. Die Patienten werden dermaßen provoziert, dass sich ihre Spannungen und Verkrampfungen spontan entladen. Jammerpatienten etwa könnte der provokative Therapeut so lange über eigene Probleme vorjammern, bis sie irgendwann aussteigen und bekennen: »So schlimm ist es ja nicht einmal bei mir«, und über sich und die Situation lachen müssen. Die Kunst ist, den Betroffenen über sich selbst zum Lachen zu bringen, ohne ihn je auszulachen.

Auch Patch Adams Clowntherapie hat viele uranische Anteile, die durch Entladung, Entlastung und Entspannung Schmerzen lindern und Probleme lösen können. Überall haben sich in seinem Gefolge Gruppen von sogenannten Klini(k)-Clowns gebildet und bringen kleine und große Patienten über Späße zum Lachen und auf andere, eben uranische Ebenen wechselnde Gedanken.

Die vielen Friedensmeditationen, die über das Internet angeregt werden und die Menschen der Welt in ein Feld von Frieden verführen wollen, sind natürlich einerseits neptunisch. Andererseits haben sie aufgrund ihrer Verbreitung über das Internet auch uranische Elemente.

Schließlich gehört die Koan-Methode des Rinzai-Zen zu den uranischen Meditationen, wenn man einbezieht, dass in der Vergangenheit der strenge Saturn und der sprunghafte Uranus prinzipiell einander so nahe waren. Schüler dieser Methode versuchen, mittels Gedankenkraft unmögliche Aufgaben zu lösen, etwa das Klatschen der einen Hand zu hören oder den Ton der Stille wahrzunehmen. Der Versuch einer intellektuellen Lösung muss scheitern, wird aber trotzdem versucht, um über den Intellekt hinauswachsend in transzendenten Bereichen die Einheit von allem und damit die Lösung zu erleben.

Im therapeutischen Bereich ist auch hier an den schon erwähnten »Verbundenen Atem« zu denken, der den Organismus mit Prana- beziehungsweise Lebensenergie so sehr überschwemmt, dass er in ganz neue Räume des Erlebens vordringen kann. Man kann mit dieser wirklich einfachen Technik unglaublich befreiende Erlebnisse erleben und andere Bewusstseinszustände aus sich hervorzaubern. Techniken wie Rebirthing und Holotropes Atmen verwenden ähnliche Atemmuster, allerdings mit weniger uranisch geprägten Zielen der Befreiung.

Im Übrigen gehören viele auf technische Hilfsmittel angewiesene Methoden zum Uranusprinzip, zum Beispiel Hochfrequenztherapie, Magnetfeldtherapien oder Bestrahlungen mit (Kunst)Licht, außerdem so okkulte Möglichkeiten wie Orgon-Generatoren oder Pyramiden-Energie. Uranische Erfahrungen ermöglichen darüber hinaus Mind Machines, die mit ihren Lichteffekten zu außergewöhnlichen Erfahrungen führen können. Auch Neuraltherapie, bei der mit schulmedizinischen Lokalanästhetika Störzonen neutralisiert und Störfelder aufgehoben werden, ist typisch, wie auch die Ozontherapie und Therapien mit Laser, etwa Laserakupunktur.

Ich selbst liebe ein OSFLOW® genanntes Gerät, das einen wirklich auf- und wachrüttelt und in einem spiralige Bewegungen initiiert, die im übertragenen Sinn nach oben wachsen lassen.42 Solcherart jeden Morgen schon bei der Morgentoilette aufgerüttelt, lässt sich der Tag mit mehr Schwung und Stimmung beginnen.

Rituale

Die klassischen Übergangsriten, die Rites de Passage, die in allen alten Kulturen dazu dienten, Jugendliche in die Welt der Erwachsenen zu befördern, entsprechen dem Urprinzip Uranus. Sie haben gewisse Gemeinsamkeiten, die auf uranische Weise die alte Zeit beenden und die neue mit einer Art Paukenschlag einläuten.

Auch viele für unser Verständnis verrückt anmutende Einweihungsrituale gehören hierher, bauen sie doch auf überraschende, plötzliche Einbrüche des Neuen, Andersartigen ins Leben. Mit uranischen Mitteln stellen sie – auf Saturns Spuren – sicher, dass die Einzuweihenden kritische Übergänge rituell abgesichert vollziehen.

Musik

Liedzeilen wie »Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein« von Reinhard Mey verleihen auf uranische Weise der Hoffnung Ausdruck, sich mit dem Flugzeug in eine andere Welt der Freiheit und Ungebundenheit erheben zu können und einfach zu entschweben und davonzufliegen. Noch uranischer ist »Space Oddity« von David Bowie. In diesem Song erzählt er die Geschichte von Major Tom, der als Astronaut auf Weltraumausflug vom freien, schwerelosen Schweben im freien (Welt-)Raum so überwältigt ist, dass er die Anweisungen der Bodenstation ignoriert und sich schließlich von allem löst, um auf Nimmerwiedersehen in das weite All zu driften auf (s)einem letzten Flug über alle Grenzen hinweg ins Jenseits.

Das Uranusprinzip spiegeln auch die Lieder vieler Kabarettisten wider: »Freiheit« von Josef Hader, worin er träumt, »ganz entspannt in der Toscana mit dem Dalai Lama den Zug versama …«, oder Spaßlieder wie »A Gaudi muss sein« von der österreichischen Gruppe Die Hektiker, oder die Kabarettstücke der Gruppe Erste Allgemeine Verunsicherung und natürlich die Hippiesongs über die große Freiheit wie »Aquarius« aus dem damals provokanten Musical Hair, ein Loblied auf das Wassermannzeitalter, das alles bessern sollte, auch wenn es diese Hoffnung bisher auch noch nicht erfüllte.

Bewegung und Sport

Kennzeichnend für das Uranusprinzip ist die überaus große Beweglichkeit und der Spaß an allen Sportarten, die mit Springen verbunden sind – vom Trampolin bis zum Hochsprung, am besten mit dem Fosbury-Flop, wobei das für uranischen Geschmack auch schon wieder eine etwas veraltete Methode ist. Beim Skispringen oder besser noch Skifliegen war es sicher ein Uranier, der zuerst die Beine breit machte und in V-Form zu Tal segelte. Stabhochsprung kommt genauso in Frage wie Turm- und Kunstspringen, bei dem der Uranier sich mit Schwung oder doch von großer Höhe ins Wasser hinabwerfen kann, ohne sich zu sehr herabzulassen. Auch Bungee-Springen ist ganz nach dem Geschmack uranischer Wesen. An einem Gummiband in tiefe Schluchten zu stürzen kann nur ein Uranier erfunden haben. Allerdings ist dieser Himmelssprung auch ein traditioneller Mannbarkeitsritus in Afrika, bei dem das Gummiband durch Lianen ersetzt ist und die wagemutigen Himmelsspringer auf einem steilen Erdabhang landen, was in der Regel ins Erwachsensein mündet, aber selten auch zu Unfällen mit Querschnittslähmungen führt.

Salti mortali, Flicflacs und Handstand-Überschläge sind das Metier des Uranusprinzips. Beim Eiskunstlaufen kommen ihm – wie beim Ballett – die Sprungfiguren entgegen, denen man das Uranische schon fast anhört: dreifacher Toeloop, doppelter Lutz, eingesprungener vierfacher Rittberger und so weiter.

Fallschirmspringen und Gleitschirmfliegen sind natürlich uranisch und schon im Übergangsbereich zur eigentlichen Fliegerei angesiedelt – vom Drachenfliegen bis zum Kunstflug mit einem möglichst ausgefallenen Doppeldecker. Aber auch in Ultraleichtflugzeugen, in Hubschraubern und erst recht in Tragschraubern sitzen wohl vor allem vom Uranusprinzip bestimmte Menschen. Sie segeln lieber mit Flugzeugen als mit Booten, und wenn sie auf dem Wasser unterwegs sind, dann mit riesigen Spinnakern oder auf ultraleichten und schnellen Tornados am Limit und am liebsten im Gleiten, kurz vor dem Abheben. Als Windsurfer springen sie über Wellen und zaubern spektakuläre Figuren in die Luft wie der einschlägige Guru und Luftakrobat Robby Naish.

Schließlich kommt auch Badminton- beziehungsweise Federballspielen in Frage, bei dem man auf witzige Art in die Luft dreschen und seinen Gegner mit verrückten Ideen und raffinierten Finten schlagen kann. Solche hochkarätigen Luftnummern machen Uranier an. Letztlich sind alle exzentrischen Sportarten geeignet, zumindest für kurze Zeit ihre Aufmerksamkeit zu fesseln.

Hobbys

Natürlich kann ein so originelles Wesen wie das uranische auf viele Hobbys verfallen. Witzige Filme angefangen aus der Kintopp-Zeit – von Dick und Doof bis zu den Marx Brothers, von Charlie Chaplin bis Monty Python – können ihn faszinieren, dazu jede Form von Beschäftigung mit der Fliegerei vom Modellflugzeugbau und luftigen Einsatz solcher Basteleien aus Balsaholz bis zum Segelfliegen.

Die Computerwelt wird unter dem Uranusprinzip leicht zum Hobby, etwa wenn der Hacker als Internet-Held ohne eigene Interessen andere auffliegen lässt und sich aus Spaß in die Netze von Firmen und Regierungen einschleicht, lediglich um witzige Notizen zu hinterlassen. Aber er kann auch Viren, Würmer und Trojaner erfinden, um anderen – meist ebenfalls nur aus Spaß – das Leben schwer und manchmal zur Hölle zu machen, wobei er dann schon bei Pluto angelangt ist. Er kann aber auch sein Leben mit elektronischen Spielen verspielen und Meister in der Moorhuhnjagd werden.

Man findet bei diesem Lebensprinzip die Zirkus- und Science-Fiction-Fans. Oft haben es diesen Menschen als Freizeitvergnügen auch Travestie-Shows und andere halbseidene Bereiche angetan – die Welt der Übergänge ist das Reich von Uranus und seinem Gefolge.

Sinnlichkeit, Erotik und Sex

»Schade, dass ich nicht bi(sexuell) bin, das böte noch so viel mehr Möglichkeiten…«, könnte der Ausspruch eines uranischen Wesens sein. Alles ausprobieren, ist sein Rezept; »pervers« ist dagegen kein Kriterium, sondern höchstens eine Herausforderung, spießige Grenzen zu überwinden zugunsten spaßigen Genusses. »Hauptsache ausgefallen und auffallen«, ist die Devise. Das Ergebnis ist folglich oft mutiger, auch kühl distanzierter und trotzdem verspielter Sex, der nicht überbewertet wird – denn wahre Freundschaft zählt bei diesem Lebensprinzip mehr. Sinnlichkeit und Erotik kommen gern hinzu, sind aber nicht so zwingend, schon gar nicht in der (spieß-)bürgerlichen Form des zweimal die Woche eine halbe Stunde Missionarsstellung.

Das Uranusprinzip vermittelt zwischen den Geschlechtern, und androgyne Entwicklungen sind ihm nicht fremd. Hier ist man immer auf der Suche nach dem nächsten Kick. So wird es nicht langweilig, und frecher Fantasie sind wenig Grenzen gesetzt, jedenfalls keine, die der Uranier nicht mit Lust und Spaß überwindet.

Filme

Alle Sience-Fiction-Filme und Weltraum-Serien wie Star Trek mit so sagenhaften Gestalten wie Commander Spock spiegeln Uranisches wider. Die Star-Wars-Epen von George Lucas, die den alten Mythos vom Kampf des Guten gegen das Böse in die Zukunft verlegen, sind hier zu finden. Auch Filme vom Befreiungskampf der Völker fallen unter das Uranusprinzip wie etwa die wundervolle Geschichte von Australia.

In einem uranischen Traum erzählt der Film Klick vom Versuch, das Leben mit einer universellen Fernbedienung in den Griff zu bekommen. Der vielbeschäftigte Architekt Michael hat kaum noch Zeit fürs richtige Leben und dazu einen undankbaren Boss. Der Zufall bringt ihn in Kontakt mit einem exzentrischen Erfinder, der ihm eine magische Fernbedienung gibt, die nicht nur technische Geräte steuern kann, sondern auch Michaels Leben. Beliebig kann er nun in seinem Leben vor- und zurückspulen – bis das Hightech-Gerät beginnt, ein Eigenleben zu führen und Michael kontrolliert.

Dass der Wunsch nach absoluter Freiheit oft ganz anders als erwartet erfüllt wird, zeigt der Film Fearless – Jenseits der Angst. Für die wenigen Überlebenden eines Flugzeugabsturzes verändert sich das Leben dramatisch. Jeff Bridges ist einer von ihnen und hat durch die Katastrophe die Grenze zwischen Leben und Tod durchbrochen, ist im Geist frei und dadurch unverwundbar geworden. Doch wie kann man so weiterleben?

Uranische Verrücktheit von ihrer liebenswertesten Seite stellt der Film Benny & Joon dar, der erzählt, wie die beiden völlig verschieden verrückten Hauptfiguren außerhalb der normalen Ordnung stehen und trotzdem lernen, ihr Leben auf die Reihe zu kriegen.

Witz und Weisheit

Unter dem Uranusprinzip ist der Witz generell zu Hause mit seinen unerwarteten, plötzlichen Entladungen von Spannung in entsprechenden Pointen. Alle Arten von Witz gehören zu Uranus, aber einige besonders, wie der Nonsens nach dem Motto »Bei uns heißen alle Hans, außer Karl, der heißt Franz« oder wie er sich in den Filmen von Monty Python, etwa die Wunderbare Welt der Schwerkraft oder Die Ritter der Kokosnuss, zeigt. Mit Vorliebe brechen uranische Witze Tabus und kleiden Unsägliches in witzige Formen.

 

Fragt der Vikar, der den kranken Pfarrer im Beichtstuhl vertritt, den Ministranten: »Was gibt der Herr Pfarrer bei Analverkehr?« Antwort: »Ein Mars und drei Duplo.«

 

Treffen sich drei depressive Männer beim Stammtisch, sagt der eine: »Stellt euch vor, meine Frau hat ein Verhältnis mit dem Golflehrer. « Fragen die beiden anderen: »Wie kommst du denn darauf?« Sagt der Erste: »Ich habe einen Golfball unterm Bett gefunden.« Beim nächsten Mal klagt der Zweite: »Meine Frau hat ein Verhältnis mit dem Tennislehrer.« Darauf die anderen: »Wie kommst du denn darauf?« Sagt der Zweite: »Ich habe einen Tennisball unterm Bett gefunden.« Beim nächsten Stammtischabend ist der Dritte am Boden zerstört. »Bei mir ist es noch viel schlimmer«, klagt er, »meine Frau hat ein Verhältnis mit einem Rennpferd.« Die Freunde sind schockiert: »Wie kommst du denn darauf?« Erklärt der Dritte: »Ich habe einen Jockey unterm Bett gefunden!«

 

Ich bin eine Feder für jeden Wind, der weht. (William Shakespeare)

 

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. (Redensart)

 

Das Gleiche lässt uns in Ruhe, aber der Widerspruch ist es, der uns produktiv macht. (Johann Wolfgang von Goethe)

 

Jedenfalls ist es besser, ein eckiges Etwas zu sein als ein rundes Nichts. (Christian Friedrich Hebbel)

 

Wer wirklich Neues erdenken will, kann gar nicht »verrückt« genug sein. (Niels Bohr)

 

Die strengen Gesetze des Schicksals schließen die Freiheit mit ein. Das ist das große Paradox des Lebens (…) Freiheit ist nicht die Abwesenheit von Beschränkung und Begrenzung. Sie besteht vielmehr in einer schöpferischen, erfinderischen Art des Reagierens auf diese Beschränkung, in der wir unsere Selbstheit finden. (C. G. Jung)

 

Ohne Freiheit kein Genie. Das Element des Geistes ist die Freiheit. (Wilhelm Heinse)