Wir lernen am besten durch Ausprobieren, Mitmachen, Nachmachen etc. (z.B. unsere Muttersprache
1). So assimilieren wir unheimlich viel, denn das Imitieren dessen, was man uns vorlebt, ist einer der wichtigsten Neuro-Mechanismen, der das Überleben in der Gruppe ermöglicht! Und genau dieser angeborene Lern-Vorteil
wird »mit Füßen getreten«, wenn die Schule darauf beharrt, über Dinge zu reden, die wir durch Handeln viel leichter lernen könnten! Denn wie Experimente seit den 1930er Jahren deutlich gezeigt haben, bringen Grammatik-Übungen überhaupt nichts. Sie vergeuden wertvolle Zeit und lösen einen »(Mutter-)SPRACHE-IST-BLÖD-MECHANISMUS« aus, der eine spätere Meisterschaft der Sprache deutlich erschwert und auch auf das Erlernen von Fremdsprachen übertragen wird. Grammatik stellt genaugenommen eine
Kunst dar, die vor 2500 Jahren von einem alten Mann (namens PANINI) in Indien erfunden wurde und die er mit seinen Freunden pflegte (wie manche heute SUDOKUs lösen).
2 Dieses Hobby einiger alter Männer sollte aber
erst in der Oberstufe des Gymnasiums »drankommen«, noch besser erst auf der Universität – und zwar freiwillig, also nur für jene, die sich dafür interessieren. Aber zu glauben, wir helfen dem 10jährigen Sohn eines Metzgers oder der 11jährigen Tochter einer Putzfrau, wenn wir sie zwingen, sich mit grammatikalischen »Sudokus« zu befassen, und ihnen eine schlechte Note zu geben (beziehungsweise sie sogar SITZENBLEIBEN zu lassen), wenn sie es nicht schaffen, ist menschenverachtend. Erstens hatte PANINI 60 Jahre Sprach-Erfahrung, als ihn die Einsicht traf, daß man Sprache ANALYSIEREN könnte – weit mehr, als
die Schüler haben -, und zweitens tun sich Kinder aus sogenannten bildungsnahen Familien sehr viel leichter, weil ihr Sprach-VERMÖGEN auf einem weit höheren Niveau liegt als das von Kindern aus bildungsfernen (oder bildungsfeindlichen) Haushalten. Einem solchen Kind hilft es
nicht, mit Grammatik ÜBER eine Sprache zu reflektieren,
die es noch nicht beherrscht. Ganz im Gegenteil: So hält man es
äußerst erfolgreich davon ab,
sich intensiv mit der Sprache zu beschäftigen, wie dies z.B. beim
Singen von Liedern oder bei
Theater- beziehungsweise Rollenspielen stattfindet. Diese Aktivitäten bringen
das Sprachvermögen von Kindern aus bildungsfernen Familien oder von Migrantenkindern, in kürzester Zeit um Jahre nach vorn, wie Experimente gezeigt haben
3.
Einer der Max-Planck-Mitarbeiter, der im Fernsehen diesbezüglich interviewt wurde, war über den Erfolg total überrascht. Aber es ist überhaupt nicht überraschend, wenn wir den Neuro-Mechanismus der ABSTRAKTIONS-FÄHIGKEIT respektieren, der uns
(Spiel-)REGELN unbewußt besser lernen läßt als bewußt. Hier unterbindet die Schule wieder einmal den optimalen Lernerfolg, wenn sie mit den Kindern nicht »Sprache anwendet«, sondern »über Sprache arbeitet«, z.B. indem Regeln gepaukt oder Grammatik-Übungen durchgeführt werden. Schule ist eben immer noch am leichtesten für Kinder aus bildungsnahen Familien – unabhängig von den Lippenbekenntnissen unserer Politiker, die das Gegenteil behaupten. Schade!
Wenn Ihnen das einleuchtet, dann sind Sie sicher bereit, die beiden folgenden kleinen Versuche durchzuführen (und später in ähnlicher Form zu lernen):
1. Beginnen Sie mit einer Sprache, die Ihnen noch unbekannt ist, z.B. Italienisch. De-Kodieren Sie ein Lied (s. nächster Abschnitt, Seite 45ff.) und singen Sie es einige Male in diesem komischen »Pseudo-Deutsch«, ehe Sie beginnen, es im Original zu singen. Sie werden erstaunt sein, wie viele Wörter Sie schon nach diesem einen Lied (einer Strophe) kennen. Wer ca. sechs bis acht Lieder hinter sich hat, beginnt die Struktur der Sprache zu »fühlen«, das heißt, sein Unbewußtes beginnt, jene (grammatikalischen) Spielregeln zu »finden«, die wir eben nicht bewußt lernen müssen.
2. Lernen Sie einen neuen Tanz (mit Hilfe einer DVD), aber nicht indem Sie Anweisungen befolgen (z.B. wann Sie Ihr Gewicht wohin verlagern sollen, in welchem Winkel Sie Ihren Körper drehen müssen
etc.), sondern lediglich durch ZUSCHAUEN und (nach einigen Malen) vorsichtigem MITMACHEN, bis Sie das, was Ihnen die DVD zeigt, NACHMACHEN können. Das ist der Königsweg für das Lernen von Verhalten durch Training (vgl. auch TRAINING – EXTREM LANGSAM, Seite 73ff.).